A. Vorbemerkung
Rz. 1
Rz. 2
Gewaltschutzsachen sind nach § 210 FamFG alle Verfahren nach den §§ 1 und 2 GewSchG. § 210 FamFG definiert und erfasst sämtliche Gewaltschutzsachen im Sinne von § 111 Nr. 6 FamFG. Der Schutz bei Gewalt durch Polizeirecht und Strafrecht wird nicht erfasst und hier nicht behandelt. Es wird insoweit auf die aktuelle und umfassende Darstellung bei Cirullies/Cirullies verwiesen.
B. Allgemeines
I. Antragsverfahren
Rz. 3
Es handelt sich sowohl bei Verfahren nach § 1 GewSchG als auch bei Verfahren nach § 2 GewSchG durchweg um Antragsverfahren; das Gericht ist nicht berechtigt, ein Verfahren von Amts wegen einzuleiten. Die §§ 210 ff. GewSchG enthalten im Gegensatz zu Ehewohnungs- und Haushaltssachen, bei denen § 203 Abs. 1 FamFG das Antragserfordernis bestimmt, keine entsprechende Regelung. Die Notwendigkeit des Antrags folgt aus § 1 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 S. 1, Abs. 6 S. 3 i.V.m. Abs. 5 GewSchG. Es handelt sich bei sämtlichen Verfahren nicht nur um Verfahrensanträge, sondern zugleich um Sachanträge. Die Beteiligten, das Gewaltopfer und der Täter, sind als Antragsteller und Antragsgegner hinsichtlich der betroffenen materiellen Rechte dispositionsbefugt. Ist dies der Fall, entspricht es ihrer Stellung als Verfahrenssubjekte, dass sie die Entscheidungsbefugnis des Gerichts einschränken können (vgl. unten § 6 Rn 19 ff.).
II. Erfasster Personenkreis
Rz. 4
§§ 1 und 2 GewSchG schützen jede natürliche Person, die Opfer von Gewalt oder eines Gewalttäters geworden ist. Eine besondere Beziehung zwischen Opfer und Täter muss nicht bestehen. Erfasst werden Gewalttaten im häuslichen wie im außerhäuslichen Bereich, so auch, wenn Kinder ihren Eltern gegenüber Gewalt ausüben, gem. § 3 GewSchG jedoch nicht im umgekehrten Fall bei Gewalt der sorgeberechtigten Eltern gegen das Kind; in diesen Fällen richtet sich der Schutz der Kinder ausschließlich nach §§ 1666, 1666a, 1696 BGB.
III. Nicht erfasste Ansprüche
Rz. 5
Löhnig kritisiert die nach wie vor bestehende Zuständigkeitsspaltung in Gewaltschutzsachen, die § 210 GewSchG sogar noch ausweite, weil die Halbjahresfrist als familiengerichtliche Zuständigkeitsgrenze entfallen sei und § 210 FamFG nun alle Verfahren nach §§ 1, 2 GewSchG als Familiensache einordne, weiterhin aber nicht auf vergleichbare Ziele gerichtete Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog und § 238 Abs. 1 StGB, §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog sowie Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, obschon das Gewaltschutzgesetz keine materiell-rechtliche Anspruchsnorm enthalte, sondern auch im Rahmen dieses Gesetzes auf § 1004 Abs. 1 BGB zurückzugreifen sei. Dieser Kritik kann nicht gefolgt werden.
Es ist zwar zutreffend, dass eine Gewaltschutzsache nach § 210 GewSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG nur dann vorliegt, wenn die Verletzung eines der in § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG genannten Rechte vorliegt, demgegenüber bei einer Verletzung der weiteren von § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB erfassten Rechte und Rechtsgüter, insbesondere bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, keine Gewaltschutzsache gegeben ist und deshalb nicht das Familiengericht, sondern die allgemeinen Zivilgerichte zuständig sind. Die Differenzierung entspricht aber den Vorstellungen der Gesetzgeber und der von ihnen mit dem Gewaltschutzgesetz verfolgten Gesetzeszwecke, sie ist zudem sachgerecht. Ziel des Gesetzes ist die Generalprävention zum verbesserten zivilrechtlichen Schutz gegen Gewalt, Drohungen und Nachstellungen im Allgemeinen, allerdings unter besonderer Berücksichtigung des familiären und sonstigen Nahbereichs. Dieser auf Prävention hinsichtlich Gewalttaten gegenüber Personen gerichtete Gesetzeszweck erfasst gerade Eigentumsverletzungen und Schadensersatzansprüche – auch wegen einer Verletzung der in § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG genannten Rechte – nicht. Das trifft in der Sache zu, denn besondere Regeln, die ein unkompliziertes und schnelles gerichtliches Eingreifen ermöglichen, bedarf es nur zur Prävention von Gewalthandlungen und Drohungen gegen Personen, nicht jedoch zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen bereits erfolgter Verletzungen.
C. Verfahren nach § 1 GewSchG
I. Rechtsnatur der Vorschrift
Rz. 6
Nach der Gesetzesbegründung und der ganz überwiegenden Ansicht stellt § 1 GewSchG eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die das Gericht zum Erlass von Schutzanordnungen befugt, jedoch keine materiell rechtliche Anspruchsgrundlage enthält. Dementsprechend ist nach dieser Ansicht ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Unterlassung der Verletzung der genannten Rechtsgüter Voraussetzung für den Erlass solcher Schutzanordnungen. Der materiell-rechtliche Anspruch richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Rechts der unerlaubten Handlu...