Rz. 903

Versichert ist nach § 8 II SGB VII (ebenso § 31 II BeamtVG) der Weg zwischen dem Ort der versicherten Tätigkeit und dem häuslichen Wirkungskreis.

(aa) Direkter Weg

 

Rz. 904

Versicherungsschutz besteht für den unmittelbaren und direkten Weg zwischen Wohnung[523] und Arbeitsstelle.

 

Rz. 905

Der Weg zur Arbeit beginnt mit dem Verlassen des häuslichen Bereichs und endet mit Erreichen des Betriebsgeländes;[524] und umgekehrt. Die Grenze zum nicht mehr versicherten häuslichen Bereich bildet einerseits i.d.R. die Haustür (Außentür des Gebäudes) des vom Versicherten bewohnten Gebäudes,[525] andererseits das Durchschreiten des Werktores bzw. der Außentür der Arbeitsstätte. Auf den Wegen innerhalb des Betriebsgeländes besteht Versicherungsschutz unter den Voraussetzungen des 8 I SGB VII (§ 548 RVO).[526]

[523] BSG v. 24.3.1998 – B 2 U 4/97 R – NJW 1998, 3294 = NZS 1998, 576 = VersR 1999, 1438.
[524] BAG v. 30.10.2003 – 8 AZR 548/02 – BAGE 108, 206 = BB 2004, 1172 = DB 2004, 656 = MDR 2004, 577 = NJ 2004, 380 = NZS 2005, 35 = VersR 2004, 1047; BAG v. 14.12.2000 – 8 AZR 92/00 – BB 2001, 786 = DB 2001, 595 = JR 2002, 175 = NJW 2001, 2039 = NZA 2001, 549 = VersR 2001, 720; LAG Baden-Württemberg v. 27.7.2011 – 13 Sa 15/11 – BeckRS 2011, 75262 = GWR 2011, 430 (Anm. Klagges) = jurisPR-ArbR 44/2011 Anm. 6 (Anm. Herbert) = VRR 2012, 225 (Anm. Nugel) (Revision wurde nicht eingelegt, VersR 2014, 392 zu I.3.d); BGH v. 27.11.2003 – III ZR 54/03 – MDR 2004, 275 = NJW-RR 2004, 234 = NZV 2004, 133 = VersR 2004, 473, BGH v. 25.10.2005 – VI ZR 334/04 – DB 2006, 168 (nur Ls.) = MDR 2006, 634 = r+s 2006, 127 (Anm. Lemcke) = VersR 2006, 221. Marburger "Verkehrsunfälle als Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung" NZV 2012, 159.
[525] BSG v. 7.11.2000 – B 2 U 39/99 R – HVBG-Info 2001, 113 (Anm. Jung HVBG-Info 2001, 1836) = NJW 2002, 84 = NZS 2001, 432 (Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem der Beschäftigte wohnt), BSG v. 31.5.1988 – 2/9b RU 6/87 – BSGE 63, 212 = MDR 1988, 1084 = NZA 1989, 447 (nur Ls.) = SozR 2200 § 550 Nr. 80 = VersR 1988, 1035.

(bb) Fahrgemeinschaft

 

Rz. 906

Abweichungen vom Wege sind für Fahrgemeinschaften speziell zugelassen, § 8 II Nr. 2 lit. b SGB VII. Auch die Beschaffung von Arbeitsgerät ist geschützt, § 8 II Nr. 5 SGB VII.

 

Rz. 907

Für Fahrgemeinschaften ist die Sonderregelung des § 8 II Nr. 2 lit. b SGB VII (siehe auch § 550 II Nr. 2 RVO) hervorzuheben. Danach ist die Versicherung nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte vom unmittelbaren Weg[527] abweicht, weil er mit anderen gemeinsam ein Fahrzeug von und zur Arbeitsstelle benutzt.

 

Rz. 908

Nicht erforderlich ist eine regelmäßige Fahrgemeinschaft. Auch bei einer nur gelegentlichen Mitnahme von berufstätigen oder versicherten Personen ist der Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen.[528]

 

Rz. 909

Nicht versichert ist, wer zwar mitfährt, eine Arbeit aber nicht aufnehmen will.[529]

[527] Die Grenze der Abweichung ist (trotz Vervielfachung des einfachen Weges) erst dann gegeben, wenn der eingeschlagene Weg nach Sinn und Zweck des § 550 II RVO nicht mehr akzeptabel ist (BSG v. 15.6.1983 – 9b/8 RU 56/81 – NJW 1983, 2959).
[528] BSG v. 8.12.1994 – 2 RU 4/94 – BB 1995, 782 = NJW 1995, 2943 (nur Ls.) = NZS 1995, 323 = VersR 1995, 1118.
[529] BSG v. 8.12.1983 – 2 RU 75/82 – NJW 1984, 1652 (nur Ls.) = NZA 1984, 63 = VersR 1985, 264.

(cc) Umweg zwecks Kinderversorgung

 

Rz. 910

Der Unfallversicherungsschutz nach § 8 II Nr. 2 lit. a SGB VII setzt voraus, dass das Kind fremder Obhut mit der Handlungstendenz anvertraut wird, um die versicherte Tätigkeit ausüben zu können.

 

Rz. 911

Unterbricht ein Beschäftigter einen Betriebsweg, um sein mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebendes Kind wegen der beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen, unterliegt er hierbei – anders als bei einem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz – mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.[530]

[530] BSG v. 12.1.2010 – B 2 U 35/08 R – BG 2011, 233 = Breith 2010, 941 = DB 2010, 1767 = jurisPR-SozR 14/2011 Anm. 5 (Anm. Wagner) = NJW 2011, 105 = NZS 2011, 66 = NZV 2011, 245 (nur Ls.).

(dd) Familienheimfahrt, Zweitwohnsitz

 

Rz. 912

Unfallversicherungsschutz besteht nach § 8 II Nr. 4 SGB VII auch für Familienheimfahrten bei 2. Wohnsitz. Auch Ledige können einen Zweitwohnsitz haben.[531]

 

Rz. 913

Wohnung des Ehegatten und der Kinder ist regelmäßig die Familienwohnung.[532]

[531] BSG v. 29.4.1982 – 2 RU 44/81 – juris = RegNr. 9650 (Bei dem Begriff der Familienwohnung spielen auch psychologische und soziologische Merkmale eine wichtige Rolle, zu denen u.a. das Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen Menschen wie der Mutter und den Freunden zählt), BSG v. 29.11.1963 – 2 RU 56/63 – BSGE 20, 110 (Auch die selbstständige Wohnung eines alleinstehenden Versicherten ist eine Familienwohnung, wenn sie den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse bildet).
[532] BSG v. 31.10.1972 – 2 RU 2/70 – BSGE 35, 32 = NJW 1973, 391 (Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse eines verheirateten Versicherten ["Familienwohnung" i...

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