Rz. 128

Da der Scheinselbstständige ein abhängig Beschäftigter ist, greifen die Sicherungen und Zuständigkeiten des Sozialleistungssystems, insbesondere kann die Zuständigkeit der gesetzlichen Unfallversicherung begründet sein. Auch rentenrechtliche Warte- und Vorversicherungszeiten können nunmehr erfüllt sein.

 

Rz. 129

Da der Forderungswechsel gemäß §§ 116, 119 SGB X auch bei erst späterer Feststellung bereits im Unfallzeitpunkt erfolgt,[90] kann der Schadenersatzpflichtige (und damit auch seine Haftpflichtversicherung) nur schwer ohne Missachtung der §§ 412, 407 I BGB (gutgläubige Leistung an einen Nichtberechtigten) mit befreiender Wirkung[91] noch Leistungen an den unmittelbar Verletzten erbringen. Dem unmittelbar Geschädigten fehlt zugleich die Aktivlegitimation; Prozessstandschaft oder Abtretung seitens des Sozialversicherers ist nicht möglich.[92]

 

Rz. 130

Ein Verzicht auf Sozialleistungen und/oder eine Abtretung seitens des unmittelbar Verletzten helfen nur eingeschränkt weiter. Zwar kann nach § 46 I Hs. 1 SGB I der Versicherte auf alle Sozialleistungen verzichten,[93] der Verzicht ist jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerruflich (§ 46 I Hs. 2 SGB I) (siehe Rn 431).

 

Rz. 131

Zur Erfüllung oder Sicherung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen oder auf Erstattung von Aufwendungen können – unter Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes[94] – solche Ansprüche auf Geldleistungen abgetreten und verpfändet werden (§ 53 II SGB I), die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung erbracht wurden. Soweit ein Anspruch des Versicherten auf Geldleistungen gegenüber einem SVT dann abgetreten werden kann, bedarf die Abtretung allerdings der Genehmigung des zuständigen SVT (§ 53 II Nr. 2 SGB I).[95]

 

Rz. 132

Für Rentenminderungsschäden ist § 119 SGB X zu bedenken. Es gilt wie bei § 116 SGB X, dass der Forderungswechsel bereits im Unfallzeitpunkt stattgefunden haben kann.

[90] BGH v. 8.7.2003 – VI ZR 274/02 – BB 2004, 164 (nur Ls.) = BGHZ 155, 342 = DAR 2003, 512 = HVBG-Info 2003, 2869 = LMK 2003, 207 (nur Ls.) (Anm. Eichenhofer) = NJW 2003, 3193 = NZV 2003, 463 = r+s 2003, 524 = SP 2003, 376 = SVR 2004, 75 (nur Ls.) (Anm. Engelbrecht) = VersR 2003, 1174 = zfs 2003, 542 (Berufung zu OLG Hamm v. 18.6.2002 – 29 U 81/01 – HVBG-Info 2003, 811 = r+s 2002, 460).
[91] Dazu BSG v. 13.5.1992 – 1/3 RK 10/90 – BKK 1993, 76 = Breith 1993, 12 = HV-Info 1992, 1913 = NZA 1993, 142 = NZS 1992, 61.
[92] BGH v. 2.12.2003 – VI ZR 243/02 – MDR 2004, 573 (nur Ls.) = NJW-RR 2004, 595 = NZV 2004, 249 = r+s 2004, 175 = SVR 2004, 312 (nur Ls.) (Anm. Engelbrecht) = SVR 2004, 352 (Anm. Engelbrecht) = VersR 2004, 492 = VRS 106, 365 (Eine [Rück-]Abtretung der Forderung an den unmittelbar Verletzten ist unwirksam [Abtretungsverbot]).
[94] BSG v. 19.3.1992 – 7 RAr 26/91 – BSGE 70, 186 (Erst zukünftig entstehende Ansprüche eines Arbeitslosen gegen das Arbeitsamt sind nach § 53 SGB I nur dann wirksam abgetreten, wenn sie nach ihrer konkreten Bezeichnung ausreichend bestimmt sind. Eine Erklärung, wonach "hiermit meine Ansprüche gegenüber dem Arbeitsamt … in Höhe der mir zu gewährenden Leistungen nach dem AFG" abgetreten werden, genügt diesen Anforderungen nicht.).
[95] Siehe auch BGH v. 13.5.1997 – IX ZR 246/96 – NJW 1997, 2823 (Zur Zulässigkeit der Abtretung mehrerer pfändungsfreier Anspruchsteile auf laufende Geldleistungen).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge