Rz. 9

Messgeräte, die zur amtlichen Überwachung des Straßenverkehrs eingesetzt werden, dürfen nach wie vor nicht ungeeicht verwendet werden. § 25 Abs. 1 Nr. 3 EichG a.F. stellte noch ein explizites Verbot auf, Messgeräte für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs ungeeicht zu verwenden. Hieran hat sich nichts geändert, denn das Verbot soll ausweislich der Gesetzesbegründung dem § 37 Abs. 1 S. 1 MessEG bereits konkludent zu entnehmen sein.[15] Die rechtlichen Fragen zu hieraus eventuell resultierenden Beweisverwertungsverboten sind also nach wie vor aktuell. Von der Verwendung ungeeichter Messgeräte zu trennen ist die Verwendung eines ungeeichten Hilfsmittels (Stoppuhr o.ä.). Die ständige Rechtsprechungspraxis fordert bei Letzterem eine ausführliche Erörterung und Berücksichtigung der möglichen Fehlerquellen sowie hieraus folgende höhere Sicherheitsabschläge.[16] Das Vorliegen eines gültigen Eichscheins impliziert hingegen nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte die Tatsache, dass das Gerät nach dem neuen MessEG in den Verkehr gebracht worden ist.[17]

Von der Eichpflicht erfasst sind auch Zusatzeinrichtungen zu Messgeräten und Teilgeräte.[18] Hierunter sind Einrichtungen zu verstehen, die der Ermittlung, Darstellung, Weitergabe oder Weiterverarbeitung von Messergebnissen dienen.[19]

 

Rz. 10

Die Ersteichung der nach dem 1.1.2015 eingesetzten Messgeräte entfällt mit der eingangs erwähnten Konformitätsbewertung. Die Eichfristen sind nach der Reform gleich geblieben und betragen gem. § 34 Abs. 1 S. 1 MessEV allgemein zwei Jahre; besondere Eichfristen gelten ausweislich der Anlage 7 der MessEV für Geschwindigkeitsmessverfahren und Radlastwaagen (Nr. 12.1: ein Jahr) und für Atemalkoholmessungen (Nr. 9.3: sechs Monate). Die Gerichte, wie auch die Verteidigung, haben bei der Messung auf eine gültige Eichung zu achten.

 

Praxistipp

Der Eichschein ist insofern nicht auf sein bloßes Vorhandensein zu überprüfen, sondern vielmehr auf die Einhaltung der gesetzlichen Eichfristen.[20] Das Einsichtsrecht der Verteidigung umfasst auch den Eichschein; dies war bereits vor der klarstellenden Entscheidung des BVerfG herrschende Meinung.[21] Wie nachfolgend erläutert wird, sind hierbei etwaige außerplanmäßige Eingriffe (Wartungen, Reparaturen, etc.) zu erörtern.

 

Rz. 11

Die Eichfristen laufen erstmals mit dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Gerätes an, § 37 Abs. 1 S. 2 MessEG, also mit dem erstmaligen Bereitstellen auf dem Markt. Sie enden jeweils mit dem Ablauf des betreffenden Kalenderjahrs – bzw. des Kalendermonats bei der Messung von Alkohol.

 

Rz. 12

Die Eichfrist endet vorzeitig in den Fällen des § 37 Abs. 2 MessEG. Die bisherige Regelung ist mit einer Ausnahme beibehalten worden: Bei einer Reparatur des Gerätes ist die Eichfrist nicht per se beendet, sofern die erneute Eichung unverzüglich beantragt wird und gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, § 37 Abs. 5 MessEG.

 

Rz. 13

 

Praxistipp

Es ist zu erwarten, dass in Zukunft bei Gerätereparaturen von der praktischen Erleichterung des § 37 Abs. 5 MessEG Gebrauch gemacht wird. Mit der Einhaltung von vier kumulativen Voraussetzungen liegt darin eine Fehlerquelle, welche für die Verteidigung beachtlich ist. Die Norm ist also dahin gehend negativ zu lesen, ob die Eichfrist vorzeitig endet, weil

das Gerät nach der Reparatur die wesentlichen Anforderungen nach § 6 Abs. 2 MessEG bzw. die Fehlergrenzen nach § 41 Abs. 1 MessEG nicht einhält oder
die Neueichung nicht bzw. zu spät beantragt wurde oder
die Reparatur nicht durch das hierzu erforderliche Zeichen kenntlich gemacht wurde oder
der Instandsetzer die Behörde nicht bzw. zu spät informiert hat.
 

Rz. 14

Eine begrüßenswerte Neuerung ist, dass die Nachweise über sämtliche Eingriffe am Messgerät mindestens drei Monate, längstens für fünf Jahre über die Eichfrist hinaus aufzubewahren sind, § 31 MessEG. Dies gilt bereits dem Wortlaut nach für alle Geräte, nicht nur für geeichte.[22] Hingegen gibt es keine Pflicht, alle angefallenen Nachweise dauerhaft zu sammeln.[23] Führt die Behörde keine Lebensakte, hat sie jedoch zumindest Auskunft hierüber zu erteilen, ob im fraglichen Zeitraum Reparaturen am konkreten Messgerät erfolgt sind.[24]

Hier hat sich in der jüngsten Vergangenheit eine lebhafte und z.T. konfuse Diskussion um die sog. "Lebensakte" des Messgerätes entsponnen, welche nunmehr aber spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Informationsrecht der Verteidigung zur Ruhe kommen dürfte.

Darin hat das Verfassungsgericht klargestellt, dass die Verteidigung grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen hat.[25] Der Anspruch findet aber seine Grenzen in zeitlicher Hinsicht, wenn hierdurch eine erhebliche Verfahrensverzögerung eintritt und in sachlicher Hinsicht, wenn die Information in keinem Zusammenhang zum konkreten Tatvorwurf steht oder erkennbar irrelevant ist. Maßgeblich ist hierbei allein die Perspektive de...

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