Rz. 108
Neben Zahlungsklagen spielen Klagen auf Herausgabe in der Mandatspraxis eine bedeutsame Rolle. Insbesondere kommt es immer wieder zu Streitigkeiten über die dingliche Berechtigung an Pkws von Personen, die ihr Fahrzeug krankheitsbedingt nicht mehr fahren können und den Gebrauch Dritten überlassen. Diese tragen in aller Regel vor, dass sie für den Vollmachtgeber Chauffeurdienste und Besorgungsfahrten unternommen haben und ihnen aus Dankbarkeit das Fahrzeug geschenkt wurde.
Rz. 109
Die Heilung der Formnichtigkeit durch Bewirkung gem. § 518 Abs. 2 BGB entspricht bei beweglichen Sachen der Eigentumsverschaffung durch Einigung und Übergabe gem. §§ 929–931 BGB. Die Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil II (bzw. früher des Kfz-Briefes) ist hierzu nicht erforderlich, da es sich nicht um ein Traditionspapier handelt.[56]
Rz. 110
Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich auch in Fällen, in denen der Vollmachtgeber neben dem Bevollmächtigten das Fahrzeug weiter nutzt.
Rz. 111
Beispiel
Ein auf den Namen des Vollmachtgebers zugelassenes Fahrzeug wird hauptsächlich von dessen Lebensgefährtin genutzt. Diese ist auch Bevollmächtigte im Rahmen einer Vorsorgevollmacht und nutzt das Fahrzeug auch für Besorgungen und Chauffeurdienste. Gleichwohl nutzt der Vollmachtgeber das Fahrzeug auch noch selbst.
Rz. 112
In einem solchen Fall schließt selbst die überwiegende Benutzung eines Pkw durch den Vollmachtgeber nicht die Annahme einer Schenkung aus. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass dann bei Eheleuten,,[57] nicht aber unbedingt auch bei Lebensgefährten[58] regelmäßig ein Besitzmittlungsverhältnis gem. § 930 BGB anzunehmen ist. Auch wenn der Veräußerer seinen Besitz an der Sache nicht vollständig aufgibt, kann er Alleineigentum dadurch übertragen, dass er den Erwerber zum Mitbesitzer macht und ihm den verbleibenden Mitbesitz mittelt.[59]
Rz. 113
Das nachfolgende Formulierungsbeispiel enthält zusätzlich zum Herausgabeverlangen eines Pkw auch noch Ansprüche zur Entschädigung wegen entgangener Gebrauchsvorteile und Wertminderung. Diese können beträchtlich sein, wenn zwischen Erbfall und Herausgabe einige Zeit verstreicht.
Rz. 114
Muster 4.6: Herausgabeklage des Alleinerben gegen den Bevollmächtigten
Muster 4.6: Herausgabeklage des Alleinerben gegen den Bevollmächtigten
An das
Landgericht _________________________
Klage
des A
– Klägerin –
gegen B
– Beklagte –
Namens und in Vollmacht der Klägerin erhebe ich Klage und werde beantragen:
1. | Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den Pkw der Marke _________________________, Fahrgestellnummer: _________________________, amtliches Kennzeichen: _________________________, nebst Schlüsseln herauszugeben. |
2. | Die Beklagte wird weiter verurteilt, Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie das im Antrag zu 1. genannte Fahrzeug genutzt hat, insbesondere welchen Kilometerstand es am _________________________[60] aufwies. |
3. | Die Beklagte wird nach Auskunftserteilung verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung wegen entgangener Gebrauchsvorteile und Wertminderung zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.[61] |
Begründung:
Die Klägerin ist die Tochter und gesetzliche Alleinerbin des am _________________________ verstorbenen Erblassers _________________________.
Beweis: Vorlage des Erbscheins, Anlage K1
Der Erblasser war zuletzt wohnhaft in _________________________, wo er von seiner Nachbarin, der Beklagten gelegentlich versorgt wurde, indem sie für ihn Besorgungen mit seinem Pkw tätigte. Außerdem hat der Erblasser sie mit einer notariellen Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus versehen.
Der Erblasser war Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Beweis: Vorlage der Zulassungsbescheinigungen Teil I und II, Anlage K2
Die Beklagte hat nach dem Tod das streitgegenständliche Fahrzeug in Besitz genommen und nutzt es seither, ohne dass ihr dies von dem Erblasser oder der Klägerin gestattet wurde.
Bereits kurz nach dem Tod wurde sie vor Zeugen von der Klägerin aufgefordert, das Fahrzeug zurückzugeben.
Beweis: Zeugnis der Herren _________________________
Die Beklagte hatte sich geweigert, das Fahrzeug herauszugeben und stattdessen gegenüber Dritten erklärt: "Bevor ich das Fahrzeug herausgebe, fahre ich es zu Schrott."
In Ermangelung einer Zulassungsbescheinigung hat die Beklagte am _________________________ beim Straßenverkehrsamt in Ausübung der Vorsorgevollmacht die Zulassungsbescheinigung für verlustig erklärt und nach Erteilung der neuen Zulassungsbescheinigung das Fahrzeug auf ihren Namen überschrieben.
Beweis: amtliche Auskunft des Straßenverkehrsamts _________________________
Die Beklagte wurde unter dem _________________________ aufgefordert, das Fahrzeug herauszugeben.
Beweis: Vorlage des Anwaltschreibens mit Rückschein vom _________________________, Anlage K3
Die Klägerin konnte ihr Herausgabeverlangen erst ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters geltend machen, da sie keinen Kontakt mehr zum Erblasser hatte. Sie konnte erst vor kurzem den Nachlass in Besitz nehmen und so den str...
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