Rz. 72

Häufig endet das arbeitsrechtliche Mandat mit einer vergleichsweisen Einigung zwischen dem Mandanten und der Gegenseite. Aber auch bei einer rechtskräftigen Entscheidung des Falles sind folgende Problemfelder zu unterscheiden:Liegt nur eine Angelegenheit vor oder sind mehr als eine Angelegenheit verglichen?

Beispiel: Kündigungsschutzklage und außergerichtliche Zeugnisberichtigungssache

Welche Gebühren sind in der Angelegenheit bzw. in den jeweiligen Angelegenheiten entstanden?

Beratungsgebühr
Geschäftsgebühr
Verfahrensgebühr
Verfahrensdifferenzgebühr
Terminsgebühr
Vergleichsgebühr
Nach welchem Gegenstandswert sind die einzelnen Gebühren entstanden?
Sind Gebühren auf Gebühren anzurechnen?
Ist die Rechtsschutzversicherung in vollem Umfang eintrittspflichtig oder nur teilweise?
 

Rz. 73

Das arbeitsrechtliche Mandat ist zu diesem Zeitpunkt inhaltlich abgeschlossen. Der Mandant ist hoffentlich zufrieden und möchte nun den Konflikt hinter sich lassen und einen neuen Abschnitt in seinem Leben beginnen. Nur der Anwalt kann noch seine gesetzliche Vergütung fordern und die Rechtsschutzversicherung muss bedingungsgemäß leisten. Sie kann sich aber auch auf den Standpunkt stellen, (Vorschuss-) Zahlungen, die sie schon geleistet hat, seien nun unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes vom Anwalt an sie zurückzuzahlen oder wegen anderer Aspekte Abwehrdeckung erteilen.

 

Rz. 74

Die Rechtsschutzversicherung kann sich bei einer gerichtlichen Entscheidung auf den Standpunkt stellen, der Anwalt habe nicht ordnungsgemäß auf die Risiken des gerichtlichen Verfahrens hingewiesen und sei deshalb schadenersatzpflichtig.

 

Rz. 75

Diese Schadensersatzpflicht besteht zunächst gegenüber dem Mandanten, geht aber auf die Rechtsschutzversicherung nach § 86 VVG über. Die Rechtsschutzversicherung erteilt dem Mandanten Abwehrdeckung und ist damit im Verhältnis zu Mandanten leistungsfrei bzw. hat die versicherte Leistung erbracht, nämlich freizustellen oder unbegründeten Forderungen (des Anwalts vom Mandanten/Versicherten) abzuwehren.

 

Rz. 76

Das bizarre an diesem System ist, dass der Mandant sich richtig beraten gefühlt haben kann, selbst der Auffassung sein kann, ihm stünde kein Schadensersatzanspruch zu und dennoch keine Leistung von seiner Rechtsschutzversicherung fordern kann. Der Anwalt muss dann seinen Mandanten auf Zahlung der Anwaltsvergütung verklagen bzw. die Rechtsschutzversicherung kann den Anwalt auf Schadenersatz verklagen.

 

Rz. 77

Dabei muss die Rechtsschutzversicherung nicht einmal offenlegen, ob sie diese Abwehrdeckung aus dem arbeitsrechtlichen Mandat erteilt oder aufgrund des Mandatsvertrages zwischen Anwalt und Mandant. Nur wenn die Abwehrdeckung aus dem arbeitsrechtlichen Mandat folgt, ist die Versicherung anschließend leistungspflichtig, wenn der Mandant zur Zahlung verurteilt wird. Wenn die Abwehrdeckung aus dem Mandatsvertrages erteilt wird, kann die Rechtsschutzversicherung gegenüber dem Mandanten noch einwenden, im arbeitsrechtlichen Mandat für die vom Anwalt eingeklagte Vergütung nicht eintrittspflichtig zu sein. Gerade dieses bürgt für den Rechtsanwalt ein erhebliches Risiko, da er ggf. zwei Prozesse führen muss.

 

Rz. 78

Vor den Zivilgerichten werden regelmäßig historische Sachverhalte behandelt. Damit ist gemeint, dass die weitere Entwicklung des Sachverhalts keinen Einfluss auf den für das Urteil maßgeblichen Sachverhalt hat. Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten ist dies regelmäßig genau andersherum. Auch wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage gewinnt, bedeutet dies nicht, dass sein Arbeitsverhältnis anschließend so fortgesetzt wird, wie vor der Kündigung. Auch die Fragen des Annahmeverzuges sind für die wirtschaftliche Bedeutung einer Kündigungsschutzklage von großer Relevanz. Eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage nützt dem Arbeitnehmer wirtschaftlich nichts, wenn er ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist, bei dem er mindestens genauso viel verdient wie in seinem bisherigen Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer hat dann zwar ein Wahlrecht nach § 12 KSchG, aber diese Fälle kommen praktisch kaum vor, weil der Arbeitnehmer dies vor einem Obsiegen im Kündigungsrechtsstreit weiß und dann zu entsprechend moderaten Vergleichsabschlüssen bereit sein wird. Der Arbeitgeber war dann zwar im Unrecht, setzt sich wirtschaftlich aber durch.

 

Rz. 79

Dennoch sind Kündigungsschutzklage rechtlich zulässig und begründet, wenn ein Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis hat und zu seinem alten Arbeitgeber nicht zurückkehren will. Die Kündigungsschutzklage muss spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden und dann bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Das neue Arbeitsverhältnis kann innerhalb der Probezeit scheitern, der neue Arbeitgeber kann insolvent werden oder der alte Arbeitgeber verhält sich so, dass der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG stellen kann. Hat der Arbeitnehmer die gesetzliche Klagefrist zu diesem Zeitpunkt schon versäumt, kann ...

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