Rz. 136

Die Ausnahme von der Ausnahmevorschrift des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG regelt § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG. Die Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, dass der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat, sind erstattungsfähig.

 

Rz. 137

Überwiegend[176] wird die Ansicht vertreten, dass die vor dem Zivilgericht entstandenen Anwaltsgebühren auch dann erstattungsfähig sind, wenn der Rechtsstreit zu den Arbeitsgerichten verwiesen wird und der Erstattungsberechtigte sich dort vom gleichen Anwalt vertreten lässt. Begründet wird diese Ansicht damit, dass der Erstattungsberechtigte die Anwaltskosten erstattet bekommen hätte, wenn er vor dem Zivilgericht obsiegt hätte. Dagegen spricht nicht, dass der Erstattungsberechtigte die Verweisung nicht hätte geltend machen müssen, da über die Frage der sachlichen Zuständigkeit gemäß § 17a Abs. 2 S. 1 GVG von Amts wegen zu entscheiden ist. Dieses Argument verkennt jedoch, dass der Erstattungsanspruch vor dem Zivilgericht nicht entstanden ist, weil dieses sich für sachlich unzuständig gehalten hat. Aufgrund der ausgesprochenen sächlichen Unzuständigkeit konnte das Zivilgericht nicht in der Sache selbst entscheiden und daher auch nicht darüber befinden, wer unterliegt und deshalb die Kosten der obsiegenden Partei zu tragen hat. Auch über die Kosten des Verfahrens vor dem Zivilgericht kann dieses aufgrund der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht selbst befinden.

 

Rz. 138

Wenn der Erstattungsberechtigte seinen Erstattungsanspruch erst durch die Entscheidung der Arbeitsgerichte erwirbt, kann er diesen auch nur in dem gesetzlichen Umfang erwerben. Dazu zählen im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwaltskosten der obsiegenden Partei gerade nicht.

 

Rz. 139

Wie der Wortlaut "dadurch" in § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG verdeutlicht, ist eine Kausalität[177] zwischen den geltend gemachten Kosten und der Klageerhebung bei einem sachlich unzuständigen Gericht erforderlich. An dieser Kausalität fehlt es, wenn die obsiegende Partei sowohl vor dem sachlich unzuständigen Gericht als auch vor dem Arbeitsgericht von dem gleichen Rechtsanwalt vertreten wird.[178] Dieser erwirbt nur einmal Gebühren nach Nr. 3100 ff. VV und diese sind vor den Arbeitsgerichten nicht erstattungsfähig. Die herrschende Meinung privilegiert die obsiegende Partei, ohne dass dafür eine gesetzliche Rechtfertigung gegeben ist. Allenfalls bleibt es bei der Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten, die vor einem sachlich unzuständigen Gericht entstanden sind, wenn der Erstattungsberechtigte sich vor den Arbeitsgerichten selbst oder durch einen Verbandsvertreter vertreten lässt. Dann sind die vor dem unzuständigen Gericht entstandenen Anwaltskosten kausal.

 

Praxistipp

Wenn es für den Kläger zweifelhaft erscheint, ob das angerufene Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, empfiehlt es sich für ihn, vorsorglich das Arbeitsgericht anzurufen. Dies hat auch den Vorteil, dass er keinen Gerichtskostenvorschuss[179] für die – möglicherweise fristwahrende – Zustellung der Klageschrift einzahlen muss. Wenn von den Arbeitsgerichten der Rechtsstreit zu einer anderen Gerichtsbarkeit verwiesen wird, erhöht dies für den Kläger das Kostenrisiko nicht, zumindest nicht maßgeblich. Wird ein Rechtsstreit dagegen von einer anderen Gerichtsbarkeit zu den Arbeitsgerichten verwiesen, muss der Kläger möglicherweise die vor dem unzuständigen Gericht entstandenen Gebühren entgegen der Regelung den § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG erstatten.

[176] Germelmann, § 12a Rn 17 ff. m.w.N.; Grunsky, § 12a Rn 12; LAG Nds. v. 21.12.1990 – RPfleger 1991, 218 und v. 15.10.1999 – 16 Ta 360; LAG Frankfurt a.M. v. 8.3.1999 – 9 (6) Ta 651/98, NZA-RR 1999, 498 f. = DB 1999, 1276 ("stets von dem Kläger zu erstatten").
[178] So auch LAG Bremen v. 20.2.1986 – 2 Ta 9/85 – AP Nr. 4 zu § 12a ArbGG 1979.
[179] Die Pflicht zur Zahlung eines Gerichtskostenvorschusses ist in § 12 GKG nur für die Zustellung der Klageschrift vorgesehen. Da die Arbeitsgerichte Klagen auch zustellen müssen, für die sie sich als unzuständig ansehen, ist das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien begründet, bevor der Rechtsstreit zu den Zivilgerichten verwiesen wird. Diese müssen aufgrund der Verweisung das Verfahren weiter betreiben und dürfen ohne eine gesetzliche Grundlage nicht die weitere Tätigkeit von der Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses abhängig machen.

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