Rz. 219

Umstrukturierungen als Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG sind vielfach mit Kündigungen, auch Massenentlassungen, verbunden. In dieser Situation, die auch zusätzlich noch mit einer drohenden Insolvenz belastet sein kann, wird seitens der Arbeitgeber im Zusammenhang der Verhandlungen um einen Interessenausgleich und Sozialplan vielfach der Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste favorisiert.

 

Rz. 220

In dieser Namensliste haben Arbeitgeber und Betriebsrat die Arbeitnehmer namentlich bezeichnet, die gekündigt werden sollen. Bei Vorliegen dieser zwischen den Betriebsparteien ausgehandelten Namensliste wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 2 KSchG bedingt ist (§ 1 Abs. 5 S. 1 KSchG). Die Sozialauswahl kann abgesehen von Diskriminierungstatbeständen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden (§ 1 Abs. 5 S. 2 KSchG). Im Gegensatz zu § 1 Abs. 4 KSchG bezieht sich die Beschränkung nicht auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung.[403] Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab gilt somit auch für die Bildung der auswahlrelevanten Arbeitnehmergruppen[404] und die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG.[405] Jedoch hat auch die Beteiligung der einzelnen Altersgruppen an dem Personalabbau im Abwendungsbereich des Interessenausgleiches mit Namensliste streng proportional zu verlaufen.[406]

aa) Voraussetzungen der Kündigung aufgrund einer Namensliste

 

Rz. 221

Zur Feststellung, ob die Kündigung des Arbeitnehmers, die auf einem Interessenausgleich mit Namensliste beruht, wirksam ist, sind alle Voraussetzungen kollektiver- und individualrechtlicher Art zu überprüfen. Auf die Darlegungs- und Beweislast, die sich im Vergleich zu Kündigungen, die ohne Namensliste ergehen, ändert, wird dabei eingegangen. Zur Darlegungs- und Beweislast siehe zusammenfassend auch unter Rdn 221.

bb) Interessenausgleich aufgrund einer Betriebsänderung

 

Rz. 222

Dem Interessenausgleich muss eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG zugrunde liegen. Ein Interessenausgleich ohne eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung löst die Rechtsfolgen des von § 1 Abs. 5 BetrVG nicht aus. Gleiches gilt für sonstige Vereinbarungen zwischen den Betriebsparteien über andere sonstige Veränderungen, in denen die zu entlassenden Arbeitnehmer genannt sind.[407] Bezüglich der Erleichterungen im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Kündigung, die diese Vorschrift bietet, ist Arbeitgebern regelmäßig an der Vereinbarung einer Namensliste gelegen. Dazu ist aber erforderlich, dass auch tatsächlich eine Betriebsänderung gegeben ist.

 

Rz. 223

§ 1 Abs. 5 KSchG erfasst nach dem BAG auch Änderungskündigungen, obwohl sie in § 1 Abs. 5 KSchG anders als in § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO nicht genannt sind.[408] Für außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigungen mit Auslauffrist gilt § 1 Abs. 5 KSchG aber nicht.[409] Das Gesetz räumt den Betriebsparteien nicht die Möglichkeit ein, außerhalb der Insolvenz durch die Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste den tariflichen Sonderkündigungsschutz ordentlich Unkündbarer in erheblichem Umfang zu entwerten.[410] Dies ergibt sich auch im Einzelnen aus dem Vergleich mit den speziellen arbeitsrechtlichen Regelungen aus der Insolvenzordnung, die wie § 113 S. 1 InsO im Insolvenzverfahren die tarifliche Unkündbarkeit aufheben und daher bei einem Interessenausgleich mit Namensliste gem. § 125 InsO eine ordentliche Kündigung unter den erleichterten Voraussetzungen dieser Vorschrift ermöglichen.[411]

 

Rz. 224

Die Betriebsänderung darf nicht nur geplant sein. § 1 Abs. 5 KSchG verlangt eine "Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung". Wird die Maßnahme reduziert, sei es nach Anschluss der Verhandlungen über den Interessenausgleich, sei es während der Verhandlungen dazu, so kommt § 1 Abs. 5 KSchG nicht zur Anwendung.[412] Es bedarf im Weiteren eines Kausalzusammenhangs zwischen der Betriebsänderung und der Kündigung.[413]

 

Rz. 225

Für die Schriftform des Interessenausgleichs gemäß § 112 Abs. 1, Abs. 3 S. 3 BetrVG gilt § 126 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis der Schriftform von Interessenausgleich und Namensliste als einheitliche Urkunde im Sinne der obigen Vorschriften ist nach der Rechtsprechung des BAG auch erfüllt, wenn die Namensliste getrennt erstellt, jedoch in ihr auf den Interessenausgleich und im Interessenausgleich auf die Namensliste Bezug genommen und sie ihrerseits auch vom Unternehmen und Betriebsrat unterschrieben ist.[414] Die Liste kann mit dem Interessenausgleich eine einheitliche Urkunde bilden, die sich etwa aus einer fortlaufenden Paginierung oder aus dem Textzusammenhang zweifelsfrei ergibt; durch die abschließenden Unterschriften wird sie damit integraler Bestandteil des Interessenausgleichs. Wird die Namensliste nicht unterzeichnet und hä...

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