Rz. 1

Umstrukturierungen, die zur Neugestaltung und Veränderung aktueller Geschäftsprozesse und betrieblicher Strukturen führen, gehen regelmäßig mit betriebsbedingten Kündigungen einher.

Ob und welche Umstrukturierungen in einem Betrieb anstehen, erschließt sich in Betrieben, in denen kein Betriebsrat existiert oder in denen sich kein Interessenausgleich und Sozialplan erzwingen lässt, den betroffenen Arbeitnehmern vielfach erst, wenn die mit der Umstrukturierung verbundenen betriebsbedingten Kündigungen umgesetzt werden. Wird dann eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen, bleibt dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage zu erheben, um die Wirksamkeit der Kündigung überprüfen zu lassen bzw. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zu verhandeln. Die Umstrukturierung selbst und auch die Fragen um den Wegfall des Arbeitsplatzes eines jeden von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmers sind dann ausschließlich Bestandteil dieses Kündigungsschutzverfahrens.

 

Rz. 2

Ist ein Betriebsrat im Amt und die Umstrukturierung interessenausgleichs- und sozialplanpflichtig, so ist die Umstrukturierung als betriebliche Maßnahme Gegenstand des Interessenausgleichs und der Ausgleich von wesentlichen Nachteilen, die sich aus einer betriebsbedingten Kündigung ergeben, sind im Sozialplan von den Betriebsparteien verhandelt und niedergelegt worden. Nach Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans hat jeder Arbeitnehmer des Betriebs mindestens Anspruch auf Einsicht in diese (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Die Informationslage im Hinblick auf die Umstrukturierung ist daher vor Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung für den betroffenen Arbeitnehmer transparenter. Jedoch auch bei Bestehen eines Interessenausgleichs und Sozialplans im Hinblick auf die geplante Umstrukturierung bleibt dem einzelnen Arbeitnehmer auf individualrechtlicher Ebene nur die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen, um das Wirksamwerden der betriebsbedingten Kündigung zu verhindern.

 

Rz. 3

Zur Vorbereitung des Gütetermins im Kündigungsschutzverfahren gilt es für den Rechtsanwalt im Kündigungsschutzverfahren zu ermitteln, welches Ziel der Arbeitnehmer verfolgt. Zu klären gilt es, ob das Ziel das Festhalten am Arbeitsverhältnis oder seine Beendigung gegen Zahlung einer Abfindung ist.

 

Rz. 4

Regelt ein Sozialplan die Zahlung einer Abfindung im Falle einer betriebsbedingten Kündigung, so kann bei Arbeitnehmern, die eine Kündigungsschutzklage einreichen, ein Interesse bestehen, die aus dem Sozialplan bekannte Abfindungszahlung durch Verhandlungen im Kündigungsschutzverfahren zu erhöhen. Manchmal, wenn ein Arbeitnehmer nicht unter den Geltungsbereich eines Sozialplans fällt, weil er z.B. zeitlich zuvor einem Betriebsübergang widersprochen hat, kann das Kündigungsschutzverfahren zum Ziel haben, auch eine Abfindung zu erhalten, die der Höhe nach der Sozialplanabfindung entspricht. Ob eine Verhandlung über den generellen Erhalt oder eine Erhöhung der Abfindung aussichtsreich erscheint, wird von der Tragfähigkeit der einzelnen Kündigungsvoraussetzungen abhängen. Diese sollten, so denn der der Kündigung zugrunde liegende Sachverhalt dem gekündigten Arbeitnehmer bekannt oder ermittelbar ist, mit dem Mandanten vor Beginn der Verhandlungen mit Arbeitgeberin besprochen werden.

Ist der Sozialplan sehr gut dotiert, wird die Bereitschaft des Arbeitgebers, eine Abfindung zu zahlen, die betragsmäßig höher ist als Sozialplanabfindung, auch bei einer unklareren Rechtslage im Hinblick auf die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung, in jedem Fall geringer sein.

 

Rz. 5

Die Bereitschaft und die wirtschaftliche Fähigkeit mehr als die Sozialabfindung zu zahlen, wird insbesondere jedoch dann nicht bestehen, wenn die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers dieses nicht zulässt, weil die Insolvenz bereits bei Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans drohte oder sich die Gefahr der Insolvenz im Anschuss herausstellte. Hier ist es Aufgabe des Arbeitnehmeranwalts, die objektive Sachlage im Rahmen seiner Möglichkeit zu prüfen und die Vorstellungen des Arbeitnehmers an der Realität zu messen.

 

Rz. 6

Aufgabe des Rechtsanwalts des Arbeitnehmers in einem Kündigungsschutzprozess bei einer Umstrukturierung – unabhängig davon, ob ein Interessenausgleich besteht – ist es weiterhin, insbesondere mit Hilfe des Mandanten die vorgetragenen Tatsachen des Arbeitgebers zum betriebsbedingten Kündigungsgrund, zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und zur Sozialauswahl zu entkräften, besser noch zu widerlegen. Zusätzlich wird jeder weitere Angriffspunkt gegenüber der Kündigung, wie z.B. Gründe zu einer unwirksamen Betriebsratsanhörung oder besonderer Kündigungsschutz, vorgetragen, um den Prozessausgang zugunsten des Arbeitnehmers zu beeinflussen. Ist am Ende der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer, dem betriebsbedingt gekündigt wurde, noch ohne einen neuen Arbeitsvertrag, so ist die Geltendmachu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge