a) Allgemeines

 

Rz. 143

Soll eine Kündigung in einer Umstrukturierung aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochen werden, so bedarf es zu ihrer sozialen Rechtfertigung auch einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 bis Abs. 5 KSchG.

Entfallen eine oder mehrere Beschäftigungsmöglichkeiten, die von verschiedenen Arbeitnehmern ausgeübt werden und scheidet eine Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer auf anderen Arbeitsplätzen im Unternehmen aus, so hat der Arbeitgeber eine Sozialauswahl unter diesen Arbeitnehmern vorzunehmen, die dieselben Beschäftigungsmöglichkeiten ausüben. Dem sozial schwächeren bzw. schwächsten Arbeitnehmer soll sein Arbeitsverhältnis erhalten bleiben, der sozial starke Arbeitnehmer soll nach der Sozialauswahl Adressat der Kündigung sein. Voraussetzung der Sozialauswahl ist somit, dass die Anzahl der auszusprechenden Kündigungen geringer als die Anzahl der in Betracht kommenden Arbeitnehmer ist.[238]

 

Rz. 144

In Abs. 3 S. 1 sind die Auswahlkriterien der sozialen Schutzbedürftigkeit bestimmt. Hier sind die Kriterien festgelegt, nach denen entschieden werden muss, welcher Arbeitnehmer seine Beschäftigung bei dem Arbeitgeber zugunsten sozial schwächerer Arbeitnehmer verlieren soll.

In den Abs. 4 und 5 sind Ausnahmeregelungen enthalten, die dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einräumen, von der Sozialauswahl nach Abs. 3 abzuweichen.

 

Rz. 145

Die Prüfung der Sozialauswahl erfolgt somit in drei Prüfungsschritten:

Innerhalb des Betriebes ist zuerst der mit dem Kündigungsadressaten vergleichbare Personenkreis zu ermitteln.

Im Anschluss daran wird unter den vergleichbaren Arbeitnehmern die soziale Auswahl entsprechend der sozialen Schutzbedürftigkeit durchgeführt.

Schließlich ist zu prüfen, ob Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl herauszunehmen sind, weil der Arbeitgeber an der Weiterbeschäftigung dieser Arbeitnehmer ein betriebliches Interesse hat, das ausnahmsweise die soziale Schutzbedürftigkeit eines anderen Arbeitnehmers überwiegt.

[238] Vgl. HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn 327.

b) Vergleichbare Arbeitnehmer im Betrieb

aa) Betriebsbezug

 

Rz. 146

Im Unterschied zur Berücksichtigung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten, die nach § 1 Abs. 2 KSchG unternehmensbezogen ausgestaltet ist, enthält die Regelung zur sozialen Auswahl eine entsprechende Regelung nicht. Daher ist sie betriebsbezogen vorzunehmen (vgl. zum Betriebsbegriff unter § 2 Rdn 150 ff.).[239]

Andere Betriebe des Unternehmens oder des Konzerns sind nicht in die Auswahl einzubeziehen. Jedoch umfasst die soziale Auswahl alle Abteilungen und Teile des Betriebes.[240]

 

Rz. 147

Nach der Rechtsprechung des 2. und 6. Senats des BAG ist auch in dem Fall, in dem der Arbeitgeber sich arbeitsvertraglich ein betriebsübergreifendes Direktionsrecht vorbehalten hat, die Sozialauswahl nur betriebsbezogen durchzuführen.[241] Zutreffend wird bereits in der Literatur in Anbetracht der Ausbreitung von internationalen Matrixstrukturen die Frage gestellt, ob der Betriebsbegriff in diesem Verständnis noch ausreichenden Arbeitnehmerschutz gewährt.[242]

 

Rz. 148

Bilden mehrere Unternehmen einen gemeinschaftlichen Betrieb, so ist die Sozialauswahl bis zu einer etwaigen Auflösung dieses Gemeinschaftsbetriebs auf den gesamten Betrieb zu erstrecken.[243] Besteht im Zeitpunkt der Kündigung die gemeinsame Leitung noch, aber es steht bereits fest, dass der Gemeinschaftsbetrieb spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist, z.B. wegen Stilllegung des eines Betriebes, nicht mehr besteht, so soll sich nach der Rechtsprechung die Sozialauswahl nur auf den einzelnen Betrieb beziehen, der dem Unternehmen verbleibt.[244]

 

Rz. 149

Bei einem Betriebsteilübergang werden nur diejenigen Arbeitnehmer dem betreffenden Betriebsteil zugeordnet, die in diesen Betriebsteil organisatorisch eingegliedert waren. Eine Tätigkeit, die diesem zu Gute kommt, reicht für die Zuordnung nicht aus.[245] Die Vergleichbarkeit des Arbeitnehmers verbleibt somit bei den Mitarbeitern des Veräußerers des Betriebsteils.[246]

 

Rz. 150

Im Fall einer Spaltung (oder Teilübertragung) nach § 123 ff. (bzw. 174 ff.) UmwG findet eine soziale Auswahl zwischen Arbeitnehmern des abgespaltenen Unternehmens und des Ursprungbetriebs statt, wenn die Unternehmen nach der Spaltung weiter einen gemeinsamen Betrieb führen (§ 322 UmwG)

Streitig ist, ob in eine Sozialauswahl auch bei einer Abspaltung oder Teilübertragung – ohne dass ein gemeinsamer Betrieb geführt bzw. fortgeführt wird – die vergleichbaren Arbeitnehmer aus dem abgespaltenen oder übertragenen Betriebsteil unternehmensübergreifend die Sozialauswahl einzubeziehen sind. Gemäß § 323 UmwG verschlechtert sich aufgrund der Spaltung oder Teilübertragung die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht. Danach ist die Sozialauswahl, um dem in § 323 Abs. 1 UmwG formulierten Schutzzweck gerecht zu werden, fiktiv auch dann unternehmens- und betriebsübergreifend durchzuführen, wenn die vor der Umwandlung bestehenden Rechtsträger nach der Umwandlung nicht ...

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