Rz. 158

Eine Vergleichbarkeit bzw. Austauschbarkeit setzt voraus, dass der Arbeitgeber den kündigungsbedrohten Arbeitnehmer einseitig kraft seines auf dem Arbeitsvertrag beruhenden Direktionsrechts – somit ohne Kündigung, Änderungskündigung oder gemeinsame neue Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer – auf einen anderen Arbeitsplatz um- bzw. versetzen kann.

Da die Versetzung im Vergleich zur Kündigung das mildere Mittel und bei Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes regelmäßig nicht unbillig ist, sind Beschränkungen der Ausübung des Direktionsrechts durch den Vorbehalt des billigen Ermessens nach § 106 GewO nicht zu berücksichtigen.[278]

 

Rz. 159

Je präziser die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit und die Funktion im Arbeitsvertrag beschrieben sind, umso kleiner der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer.

 

Rz. 160

 

Hinweis

Der Arbeitgeber, der sehr spezifisch die Tätigkeit und die Funktion im Arbeitsvertrag beschreibt und möglicherweise sich auch keine Zuweisung anderer gleichwertiger Tätigkeiten zusichern ließ, mag diese Vorgehensweise anlässlich einer auszusprechenden Kündigung insofern positiv betrachten, als die Anzahl der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Mitarbeiter dadurch kleiner gehalten wird. Durch die so erzielte Verkleinerung der Anzahl der Arbeitnehmer, die in die Sozialauswahl einzubeziehen sind, kann auch Fehleranfälligkeit der Sozialauswahl verringert werden.

Dem Arbeitgeber, dem unabhängig von Umstrukturierungsmaßnahmen jedoch da­ran gelegen ist, die Mitarbeiter flexibel einzusetzen, wird eine derart einschränkende Vorgehensweise im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte Tätigkeit und damit beschränkte einseitige Einsetzbarkeit nicht wünschenswert finden und entsprechend allgemeine Bezeichnungen der Tätigkeiten im Arbeitsvertrag und auch eine Versetzungsklausel in den Arbeitsvertrag aufnehmen.

Die Interessenlage der Arbeitnehmer ist regelmäßig gegenläufig, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund anderer als betriebsbedingter Gründe belastet ist: Ist die Tätigkeit spezifiziert, ist eine einseitige Versetzung unmöglich. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber die Situation für den Arbeitnehmer durch Versetzungen verbösert. Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung, die auch strategisch vorbereitet werden kann, reduzieren sich jedoch durch die Einschränkung der vergleichbaren Arbeitnehmer der zu berücksichtigende Personenkreis und damit die Möglichkeit, dass es noch sozial stärkere Arbeitnehmer in dieser Vergleichsgruppe gibt.

 

Rz. 161

Allein durch eine langjährige Beschäftigung in einem Arbeitsbereich oder an einem Arbeitsort stellt sich eine Konkretisierung auf einen bestimmten Arbeitsplatz nicht ein.[279] Eine Beschränkung des Direktionsrechts setzt grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien voraus. Diese kann zwar auch konkludent erfolgen. Selbst neben einem jahrelang nicht ausgeübten Direktionsrecht müssen aber weitere konkrete Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Arbeitsvertragsparteien hätten das Direktionsrecht beschränken wollen. Dies wird nur im Ausnahmefall anzunehmen sein.[280]

Ist eine arbeitsvertragliche Versetzungsklausel wegen eines Verstoßes gegen §§ 305 Abs. 1, 307 BGB nach dem AGB-Recht unwirksam, wird das der Sozialauswahl zugrunde zu legende Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 306 Abs. 2 BGB aus dem gesetzlichen Leitbild von § 106 BGB hergeleitet.[281] Die Unwirksamkeit der Klausel wirkt sich hier nicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus, sondern beeinflusst das Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander, und führt letztlich auch nicht zu einem Vorteil beim Arbeitgeber, so dass hier die Rechtsfolge des § 306 Abs. 2 BGB keiner Einschränkung bedarf.[282] Der Arbeitgeber ist nach der Rechtsprechung des BAG aber gehindert, dem Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Versetzungsklausel entgegenzuhalten bzw. diesem zu untersagen, er dürfe sich auf diese Klausel rechtens nicht stützen, wenn er den Arbeitnehmer einerseits unter Berufung auf diese Klausel versetzt hat und andererseits bei der Vergleichsgruppenbildung deren Unwirksamkeit geltend macht.[283]

[278] KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn 668.
[280] Vgl. BAG v. 3.6.2004 – 2 AZR 577/03, NZA 2005, 175; HaKo/Mestwerdt/Zimmermann, § 1 Teil F KSchG Rn 831; GK/Griebeling/Rachor, § 1 Rn 668.
[281] Preis/Genenger, Die unechte Direktionsrechtserweiterung, NZA 2008, 969.
[282] KR/Griebeling/Rachor, § 1 Rn 669.
[283] BAG v. 3.4.2008 – 2 AZR 879/06, NZA 2008, 1060; HaKo/Mestwerdt/Zimmermann, § 1 Teil F Rn 835.

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