Rz. 11

Gemäß § 106 GewO kann der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Damit unterliegt der Arbeitsort dem Weisungsrecht des Arbeitgebers, solange im Arbeitsvertrag kein bestimmter Arbeitsort festgeschrieben ist. Gleichwohl kann nach gängiger Auffassung der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer dessen Privatwohnung nicht einseitig gemäß § 106 GewO als Home-Office Arbeitsplatz zuweisen. Das ließe im Regelfall berechtigte Interessen des Arbeitnehmers unberücksichtigt, die sich im Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG manifestieren und über grundrechtliche Schutzpflichten in die im Rahmen von § 106 GewO gebotene Interessenabwägung hineinspielen.[17] Der Schutz des Art. 13 GG soll insoweit wohl derart schwer wiegen, dass eine überörtliche Versetzungsklausel in einem Standardarbeitsvertrag gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sein soll, soweit sie auch die Versetzung in ein Home-Office vorsieht.[18]

 

Rz. 12

Tatsächlich dürfte eine Erweiterung überörtlicher Versetzungsklauseln um die abstrakte Möglichkeit, auch das Home-Office als Arbeitsort zuzuweisen, dem in Art. 13 GG verkörperten Leitbild nicht entsprechen. Es muss auf eine konkrete, an den jeweiligen Wohnverhältnissen ausgerichtete Zustimmung ankommen. Dass ein Home-Office Arbeitsplatz aber nicht per Weisungsrecht zugewiesen werden kann, dürfte in dieser Pauschalität nicht zutreffen. Auch insoweit sind Ausnahmekonstellationen – etwa aus betrieblichen Gründen – denkbar, in denen die Interessen des Arbeitgebers denen des Arbeitnehmers überwiegen. Dann ist es systematisch aber konsequent, für diese Ausnahmekonstellationen das Weisungsrecht zu eröffnen, sodass es – anders als in der Literatur vertreten[19] – keiner Änderungskündigung bedarf.[20] Der Bedarf hierfür hat sich in der Corona-Pandemie zur Wahrung eines effektiven Gesundheitsschutzes gezeigt.[21]

 

Rz. 13

Welchen Weg die Rechtsprechung hier letztendlich auch gehen mag, für die Gestaltung von Home-Office Vereinbarungen ergibt sich zweierlei: Zum einen bedarf es einer ausdrücklichen Regelung, dass eine bestimmte Privatwohnung künftig als Arbeitsort genutzt wird. Nur so kommt die konkrete Zustimmung des Arbeitnehmers hinreichend zum Ausdruck. Zum anderen bedarf es umgekehrt einer ausdrücklichen Regelung, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, dem Arbeitnehmer den Home-Office Arbeitsplatz einseitig wieder zu entziehen. Insoweit spricht nichts dagegen, § 106 GewO zur Anwendung zu bringen.[22] Denn anders als bei der Zuweisung des Home-Office spielt Art. 13 GG keine Rolle. Im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens ist jedoch zu überlegen, inwieweit man die Auswirkungen für den Arbeitnehmer mittels Ankündigungsfristen abmildert. Diese können auch in der Home-Office-Vereinbarung vorab festgeschrieben werden. Eine Notwendigkeit hierfür besteht jedoch nicht, da § 106 GewO durch den Verweis auf "billiges Ermessen" einen Maßstab aufstellt.[23]

 

Rz. 14

Unter dieser Maßgabe dürfte es auch entbehrlich sein, in einer Home-Office-Vereinbarung zu konkretisieren, unter welchen sonstigen Voraussetzungen der Home-Office Arbeitsplatz wieder entzogen und eine betriebliche Arbeitsstätte zugewiesen werden kann. Das entspricht der Systematik des BAG zu überörtlichen Versetzungsklauseln, wonach nur erkennbar werden muss, dass sich der Arbeitgeber trotz Regelung des Arbeitsortes im Formulararbeitsvertrag das Weisungsrecht bzgl. des Arbeitsortes offenhalten will.[24] Allerdings ist insoweit auf eine Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 10.9.2014[25] hinzuweisen, die eine entsprechende Klausel wegen einer Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 106 S. 1 GewO gemäß § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB als unwirksam erachtet, wenn die Klausel den Entzug des Home-Office voraussetzungslos und ohne Verweis auf die Interessen des Arbeitnehmers ermöglicht.

 

Rz. 15

Solange eine höchstrichterliche Klärung aussteht, ist die Aufnahme eines entsprechenden Hinweises auf die Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers gemäß § 106 GewO zu empfehlen. Dem folgt das vorstehende Muster in § 1 Abs. 1, wonach der Arbeitgeber einseitig einen anderen Home-Office Arbeitstag als den anfangs festgelegten Home-Office Arbeitstag zuweisen kann. In § 9 Abs. 2 ist ergänzend der vollständige Entzug des Home-Office Arbeitsplatzes geregelt. Beide Regelungen bilden insoweit das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO ab. Ebenso sind "Platzhalter" für Ankündigungsfristen vorgesehen.

 

Rz. 16

Darüber hinaus enthält das Vertragsmuster in § 9 Abs. 1 eine zeitliche Befristung der Home-Office Zuweisung. Solche Befristungen schaffen Klarheit, wenn – wie häufig – die Arbeit im Home-Office zunächst erprobt werden soll. Da die Befristung nicht weiter geht als das Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO beim Entzug des Home-Office reicht, ist eine Befristung auch aus dem Blickwinkel der §§ 305 ff. BGB[26] i.d.R. unproblematisch.[27] Selbstverständlich besteht aber keine Notwendigkeit, eine Befristung aufzunehmen. Bedingungen ...

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