Rz. 69

Hat das Gericht das persönliche Erscheinen des Klägers nicht angeordnet, kann der Anwalt zusammen mit seinem Mandanten frei entscheiden, ob dessen Teilnahme an der Güteverhandlung sinnvoll ist. Der Anwalt wird zunächst für sich allein eine Einschätzung darüber treffen, ob der Mandant nach seinem Erscheinungsbild und Auftreten bei Gericht eher einen positiven oder negativen Eindruck erzeugen wird.

 

Rz. 70

Ist der Arbeitnehmer zum Beispiel laut und aufbrausend, kann ein vehementer Auftritt bei Gericht – gerade wenn es um verhaltensbedingte Kündigungen geht – unter Umständen die Prozesschancen mindern. Ein allzu schüchterner Arbeitnehmer, der sich schnell zur Annahme eines Vergleichsvorschlages überreden lässt, sollte auch von der Teilnahme an der Güteverhandlung abgehalten werden, da die Gefahr besteht, dass er letztlich mit dem Vergleich unzufrieden ist und die Schuld dafür bei seinem Anwalt sucht. Die Gegenwart eines selbstbewussten Mandanten mit gewinnendem Auftreten kann hingegen bei Verhandlungen einen erheblichen Vorteil darstellen.

 

Rz. 71

Die persönliche Teilnahme des Mandanten hat immer die positive Seite, dass auch Detailfragen des Gerichts meist nicht unbeantwortet bleiben. Gerade dies kann aber auch je nach Lage des Falles ein Nachteil sein, wenn der Anwalt es aus taktischen Gründen vorzieht, sich zu einem bestimmten Punkt mit Unwissenheit erklären zu können. Hier ist insbesondere an die schon erörterte Frage zu denken, ob der Arbeitnehmer denn bereits ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet habe.

 

Rz. 72

 

Praxishinweis

Es wurde bereits dargelegt, dass bei Bejahung dieser Frage regelmäßig die Chancen des Arbeitnehmers, eine Abfindung zu erhalten, erheblich sinken. Der allein erschienene Anwalt ist in diesem Punkt möglicherweise nicht ausreichend informiert und muss deshalb die Antwort mit dem Ausdruck des Bedauerns schuldig bleiben; der gleichzeitig anwesende Arbeitnehmer hingegen kann sich darauf nicht zurückziehen.

 

Rz. 73

Soweit der Arbeitnehmer ein neues Beschäftigungsverhältnis nicht gefunden und auch nicht in einigermaßen sicherer Aussicht hat, ist seine Anwesenheit in der Güteverhandlung unproblematisch. Hat der Arbeitnehmer eine Anschlussbeschäftigung gefunden, ist er auch bei Vergleichserörterungen im Prozess nicht verpflichtet, dies von sich aus zu offenbaren.[58] Gibt der Arbeitnehmer aber Auskünfte, dann müssen diese auch der Wahrheit entsprechen.[59] Macht der Arbeitgeber die Tatsache einer nicht vorhandenen Anschlussbeschäftigung ausdrücklich oder auch konkludent zur Grundlage seines Abfindungsangebots, muss der wahrheitswidrig verneinende Arbeitnehmer damit rechnen, dass der Arbeitgeber nach Kenntniserlangung eine Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung erklärt.

 

Rz. 74

 

Praxishinweis

Das BAG hat einen Auskunftsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer nicht nur hinsichtlich anderweitigen Erwerbs, sondern auch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge bejaht; als Grundlage des Auskunftsbegehrens sieht es eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB.[60] Dieser Auskunftsanspruch besteht allerdings erst zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer Vergütung wegen Annahmeverzugs fordert. Jedenfalls so lange der Arbeitnehmer sich darauf beschränkt, über die Wirksamkeit der Kündigung zu streiten, besitzt der Arbeitgeber ein derartiges Auskunftsrecht nicht. Er wird den Arbeitnehmer und seinen anwaltlichen Vertreter weder zum Zeitpunkt der Güteverhandlung noch in einem späteren Verfahrensstadium zur Beantwortung der Frage, ob er eine Anschlussbeschäftigung gefunden habe, zwingen können. Eine Prozesstaktik kann deshalb darin bestehen, solche Fragen schlicht unbeantwortet zu lassen. Allerdings kann in der Praxis nicht vermieden werden, dass der Arbeitgeber(vertreter) hieraus seine Schlüsse zieht.

 

Rz. 75

Hat der Arbeitgeber – auf welche Weise auch immer – Kenntnis von einer Anschlussbeschäftigung des Arbeitnehmers erlangt, ist als Antwort hierauf der Hinweis sinnvoll, dass das neu begründete Arbeitsverhältnis noch nicht dem KSchG unterfällt und deswegen auch schnell wieder zu Ende sein kann. Zudem bedeutet die Begründung eines Anschlussarbeitsverhältnisses nicht stets den Entfall jeglichen Risikos, weil der neu abgeschlossene Arbeitsvertrag eine geringere Entlohnung vorsehen kann, so dass dem Arbeitgeber später die Einforderung des Differenzlohnes im Wege von Annahmeverzugslohnansprüchen droht.

 

Rz. 76

Gelangt der Anwalt bei den dargestellten Überlegungen zu dem Schluss, dass eine persönliche Teilnahme des Arbeitnehmers nützlich oder jedenfalls nicht nachteilig ist, wird er im Weiteren sein eigenes Verhältnis zu dem Mandanten in seine Überlegungen mit einbeziehen. Einen kritischen Mandanten, der leicht zur Unzufriedenheit neigt, wird der Anwalt im eigenen Interesse zur Teilnahme an der Güteverhandlung auffordern in der meist berechtigten Einschätzung, dass dieser sonst einen (Widerrufs-) Vergleich gleich welchen Inh...

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