Rz. 99

Wird eine Geschäftsreise in mehreren Angelegenheiten gleichzeitig durchgeführt, regelt Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV, wie die nach Nrn. 7003 bis 7006 VV zu berechnenden Reisekosten zu verteilen sind. Danach sind die gesamten Reisekosten verhältnismäßig aufzuteilen. Jeder Auftraggeber haftet bei einer solchen gemeinsamen Geschäftsreise nur für seinen Anteil und nicht etwa für die Kosten, die entstanden wären, wenn der Anwalt allein für ihn gereist wäre. Eine Haftung der Auftraggeber als Gesamtschuldner oder nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG kommt hier nicht in Betracht, da der Anwalt nicht in derselben Angelegenheit tätig wird.[54]

 

Rz. 100

Bei der Berechnung des auf die jeweilige Angelegenheit entfallenden Anteils ist in folgenden Schritten vorzugehen:

1. Zunächst sind die tatsächlichen (erstattungsfähigen) Gesamtkosten zu berechnen.
2. Sodann sind die fiktiven Einzelreise-Kosten zu ermitteln, die angefallen wären, wenn der Anwalt die Reisen für jeden Mandanten einzeln durchgeführt hätte.
3. Schließlich muss noch die Summe der Kosten der fiktiven einzelnen Reisen errechnet werden.
4. Alsdann werden die fiktiven Einzelreisekosten des Mandanten mit der Summe der tatsächlichen erstattungsfähigen Reisekosten multipliziert und durch den Gesamtbetrag aller fiktiven Reisekosten dividiert.

Es gilt also folgende Formel:

 
 
Fiktive Einzelreisekosten des Mandanten x tatsächliche erstattungsfähige Gesamtreisekosten
Summe aller fiktiven Einzelreisekosten
 

Beispiel 59: Mehrere Geschäftsreisen (I)

Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln. Für Mandant A fährt er zum LG Bonn und anschließend für Mandant B zum LG Koblenz. Das LG Bonn liegt 30 km von der Kanzlei entfernt, das LG Koblenz 120 km, die Entfernung zwischen LG Bonn und LG Koblenz beträgt 100 km. Insgesamt ist er sieben Stunden unterwegs. Für die Fahrt nach Bonn wäre er insgesamt drei Stunden abwesend gewesen, für die Fahrt nach Koblenz insgesamt fünf Stunden.

Es ergibt sich folgende Berechnung:

 
(1) Tatsächliche erstattungsfähige Gesamtreisekosten  
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 105,00 EUR
([30 + 100 + 120 km] x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, 50,00 EUR
Nr. 7005 Nr. 2 VV  
Gesamt 155,00 EUR
(2) Fiktive Einzelreisekosten  
Mandant A:  
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 25,20 EUR
(2 x 30 km x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitspauschale bis 4 Stunden, 30,00 EUR
Nr. 7005 Nr. 1 VV  
Gesamt 55,20 EUR
Mandant B:  
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 100,80 EUR
(2 x 120 km x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, 50,00 EUR
Nr. 7005 Nr. 2 VV  
Gesamt 150,80 EUR
(3) Summe der fiktiven Einzelreisekosten  
(55,20 EUR + 150,80 EUR =) 206,00 EUR
(4) Anteilige Kosten  
Mandant A hat zu zahlen:  
55,20 EUR x 155,00 EUR ./. 206,00 EUR = 41,53 EUR
Mandant B hat zu zahlen:  
150,80 EUR x 155,00 EUR ./. 206,00 EUR = 113,47 EUR
Gesamt (Kontrolle) 155,00 EUR
 

Rz. 101

Einfach ist die Berechnung, wenn der Anwalt in mehreren Angelegenheiten zum selben Termin fährt. Dann entstehen die Reisekosten nur einmal. Sie sind dann durch die Anzahl der Angelegenheiten (unabhängig von der Anzahl der Mandanten) zu dividieren. So sind die Reisekosten bei zwei Angelegenheiten zu halbieren,[55] bei drei Angelegenheiten zu dritteln etc.

 

Rz. 102

Komplizierter ist die Abrechnung bei sog. Rundreisen (vgl. Rdn 90). Hier können zudem Kosten anfallen, die der Anwalt bei einzelner Betrachtung der Reise an sich nicht erstattet verlangen könnte (z.B. Übernachtungskosten), die aber bei einer Gesamtbetrachtung letztlich zur Vermeidung anderer Kosten geführt haben.

 

Beispiel 60: Mehrere Geschäftsreisen (II)

Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln. Für Mandant A nimmt er am 10.9. an einem Termin in Frankfurt teil. Von dort fährt er weiter nach Freiburg, wo er übernachtet (100,00 EUR) und am nächsten Tag für Mandant B vor dem LG an einem Verhandlungstermin teilnimmt. Von dort fährt er dann wieder nach Köln zurück. Es ergibt sich folgende Berechnung (Entfernungen: Köln – Frankfurt 200 km; Frankfurt – Freiburg 250 km; Freiburg – Köln 440 km):

 
(1) Tatsächliche Gesamtreisekosten  
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 373,80 EUR
([200 + 250 + 440 km] x 0,42 EUR/km)  
2 Abwesenheitspauschalen jeweils über 8 Stunden, 160,00 EUR
Nr. 7005 Nr. 3 VV  
Übernachtungskosten 160,00 EUR
Gesamt 693,80 EUR
(2) Fiktive Einzelreisekosten  
Mandant A:  
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 168,00 EUR
(2 x 200 km x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitspauschale 4 bis 8 Stunden, 50,00 EUR
Nr. 7005 Nr. 2 VV  
Gesamt 218,00 EUR
Mandant B:  
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV 369,60 EUR
(2 x 440 km x 0,42 EUR/km)  
Abwesenheitspauschale über 8 Stunden, 80,00 EUR
Nr. 7005 Nr. 3 VV  
Gesamt 449,60 EUR
(3) Summe der fiktiven Einzelreisekosten  
(218,00 EUR + 499,60 EUR =) 667,60 EUR

Da die Übernachtungskosten als solche hier nicht erstattungsfähig wären und bei Einzelreisen auch geringere Tagegelder angefallen wären, kann der Anwalt diese Kosten nur insoweit abrechnen, als er hierdurch die Kosten einer zusätzlichen Hin- und Rückfahrt vermieden hat. Er darf also seine tatsächlichen Kosten insgesamt nur in Höhe d...

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