aa) Der Verteidiger war bereits vorinstanzlich beauftragt

 

Rz. 183

Wegen der im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde oder im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen Gebühren wird auf die Ausführungen zu Rdn 70 ff., 134 und 134 ff. verwiesen.

 

Rz. 184

War der Anwalt bereits in der Sache als Verteidiger tätig, hatte er also insbesondere schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde oder im gerichtlichen Verfahren verteidigt, kann er im Rechtsbeschwerdeverfahren die Grundgebühr nach Nr. 5100 VV nicht mehr verdienen, da diese nur einmalig für die erste Einarbeitung entsteht. Zudem gilt für den Verteidiger der Vorinstanz § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG, wonach das Einlegen des Rechtmittels noch zur ersten Instanz zählt. Dagegen kann die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV jetzt wieder erneut entstehen (Anm. Abs. 3 S. 2 zu Nr. 5116 VV).

 

Beispiel 92: Rechtsbeschwerde und anschließende Mandatsbeendigung

Nach Verkündung des Urteils legt der Verteidiger auftragsgemäß Rechtsbeschwerde ein. Bevor die Urteilsgründe zugestellt werden, kündigt der Auftraggeber das Mandat und beauftragt einen anderen Verteidiger.

Für den erstinstanzlichen Anwalt zählt die Einlegung des Rechtsmittels nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG noch zur ersten Instanz, sodass hierfür keine gesonderten Gebühren anfallen. Auch eine weitere Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV kann er nicht beanspruchen.

 

Rz. 185

 

Beispiel 93: Rücknahme der Rechtsbeschwerde weniger als zwei Wochen vor der Hauptverhandlung

Der Verteidiger wird mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde beauftragt, die er auch begründet. Eine Woche vor dem Hauptverhandlungstermin nimmt er die Rechtsbeschwerde auftragsgemäß zurück.

Das Einlegen der Rechtsbeschwerde gehört wiederum noch zur ersten Instanz (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG). Mit der Begründung der Rechtsbeschwerde hat der Verteidiger jedoch die Verfahrensgebühr nach Nr. 5113 VV verdient.

Eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV entsteht dagegen hier nicht, da die Rücknahme mehr als zwei Wochen vor dem Hauptverhandlungstermin hätte erklärt werden müssen (Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV).

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5113 VV   352,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 372,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   70,68 EUR
Gesamt   442,68 EUR
 

Rz. 186

 

Beispiel 94: Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch den Verteidiger mehr als zwei Wochen vor der Hauptverhandlung

Gegen das erstinstanzliche Urteil legt der Verteidiger auftragsgemäß Rechtsbeschwerde ein. Die Rechtsbeschwerde wird anschließend – noch vor ihrer Begründung – zurückgenommen.

Zwar zählt das Einlegen der Rechtsbeschwerde noch zum erstinstanzlichen Verfahren (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG), sodass hierfür die Verfahrensgebühr der Nr. 5113 VV noch nicht anfällt. Für die Rücknahmeerklärung gilt dies dagegen nicht. Diese löst bereits die Gebühren des Rechtsmittelverfahrens aus, sodass allein für die Rücknahme die Verfahrensgebühr nach Nr. 5113 VV angefallen ist. Da der Verteidiger die Rechtsbeschwerde noch nicht begründet hatte, dürfte die Verfahrensgebühr im unteren Bereich anzusiedeln sein.

Darüber hinaus ist nach Nr. 5113 VV auch eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV angefallen. Die bloße Rücknahmeerklärung reicht schon als Mitwirkung aus.[62] Für die Zusätzliche Gebühr haben die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG keine Bedeutung. Die Gebühr nach Nr. 5115 VV entsteht immer in Höhe der jeweiligen Verfahrensmittelgebühr.

Strittig ist allerdings, ob die Zusätzliche Gebühr in Falle der Rücknahme der Rechtsbeschwerde nur dann anfällt, wenn eine Hauptverhandlung anberaumt oder das Rechtsbeschwerdeverfahren so weit fortgeschritten war, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Fall der Fortführung des Verfahrens eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre.[63] Hier dürfte im Ergebnis nichts anderes gelten als im Strafverfahren bei Rücknahme einer Revision (siehe dazu § 35 Rdn 230). Das Gesetz stellt keine weiteren Voraussetzungen auf als die Rücknahme, sodass die bloße Rücknahme ausreicht.

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 5113 VV   352,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 5115, 5113 VV   352,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 724,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   137,56 EUR
Gesamt   861,56 EUR
 

Rz. 187

Die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV setzt im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht voraus, dass der Verteidiger die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zurücknimmt. Ausreichend ist die Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft, sofern der Verteidiger daran mitwirkt, etwa durch schriftsätzliche Ausführungen.[64] Die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist in diesem Fall nicht erforderlich.[65]

 

Beispiel 95: Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft

Gegen das erstinstanzliche Urteil legt die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein.

Der Verteidiger regt in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz die Rücknahme des Rechtsmittels seitens der Staatsanwaltschaft an und macht dazu weitere Ausführungen. Die Rechtsbeschwerde wird anschließend...

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