Rz. 553

Die Änderung tarifvertraglich geregelter, arbeitgeberfinanzierter Versorgungsleistungen ist eher theoretischer Natur (Griebeling, ZIP 1993, 1059), da insb. Firmentarifverträge, d.h. solche Tarifverträge, die die betriebliche Altersversorgung für nur ein Unternehmen regeln – im Gegensatz zur Umsetzung des Rechtsanspruches auf Entgeltumwandlung – nicht praktiziert werden. Überbetrieblich wirkende tarifvertragliche Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung sind ebenfalls nur in wenigen Bereichen vorzufinden, so z.B. im öffentlichen Dienst und in der Bauwirtschaft. Soweit derartige tarifvertragliche Regelungen bestehen, ist eine Änderung des Versorgungswerkes nur über die Kündigung des bestehenden und den Abschluss eines neuen Tarifvertrags realisierbar.

 

Rz. 554

Soweit Versorgungsleistungen in Betriebsvereinbarungen normiert worden sind – was in der betrieblichen Praxis häufig vorzufinden ist – können Änderungen der bestehenden Betriebsvereinbarung entweder über den Weg der "ablösenden Betriebsvereinbarung" oder die "Kündigung" der bestehenden Betriebsvereinbarung bewirkt werden.

 

Rz. 555

Jede Betriebsvereinbarung kann nach Beendigung ihrer Laufzeit durch eine abändernde Betriebsvereinbarung abgelöst werden. Insoweit gilt die von der höchstrichterlichen Rspr. seit Jahren gebilligte Zeitkollisionsregelung. Die ältere Norm wird durch die jüngere ersetzt (BAG v. 16.9.1986 – GS 1/82, DB 1987, 383; BAG v. 17.3.1987 – 3 AZR 64/84, NZA 1987, 855; BAG v. 22.5.1990 – 3 AZR 128/89, NZA 1990, 813; vgl. auch Dieterich, NZA 1987, 545, 549). Die Rspr. unterzieht allerdings die nachfolgende verschlechternde Betriebsvereinbarung stets einer sog. Billigkeitskontrolle (BAG v. 30.1.1970 – 3 AZR 44/68, NJW 1970, 1620; BAG v. 14.11.1974 – 3 AZR 547/73, BB 1975, 374; BAG v. 18.5.1977 – 3 AZR 371/76, NJW 1977, 1982; BAG v. 24.11.1977 – 3 AZR 732/76, BB 1978, 450; BAG v. 17.1.1980 – 3 AZR 456/78, DB 1980, 1399; vgl. auch Griebeling, ZIP 1993, 1057; Langohr-Plato, MDR 1994, 855).

aa) Rechtsprechung des BAG zu § 77 Abs. 6 BetrVG

 

Rz. 556

Kommt es zu keiner Ablösung der bestehenden Betriebsvereinbarung, bleibt dem Arbeitgeber nach § 77 Abs. 5 BetrVG die Möglichkeit der Kündigung der bisherigen Regelung (BAG v. 10.3.1992 – 3 ABR 54/91, NZA 1993, 234), wobei diese Kündigung ohne Angabe von Kündigungsgründen erfolgen kann (vgl. Blomeyer, DB 1985, 2506 ff. und DB 1990, 173) und keiner inhaltlichen Kontrolle unterliegt.

 

Rz. 557

Dies gilt unabhängig vom Regelungsgegenstand, also auch dann, wenn es um eine betriebliche Altersversorgung geht (BAG v. 17.8.1999 – 3 ABR 55/98, NZA 2000, 498). Das BetrVG hat mit der uneingeschränkten Einräumung eines Kündigungsrechtes in § 77 Abs. 5 BetrVG und der Bestimmung über die Nachwirkung in § 77 Abs. 6 BetrVG eine eigenständige Regelung zum Schutz anspruchsberechtigter Arbeitnehmer getroffen, die einer weiter gehenden allgemeinen Kündigungsmöglichkeit entgegensteht.

 

Rz. 558

Die Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung bewirkt daher nicht lediglich eine Schließung des Versorgungswerkes für die Zukunft. Auch Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung durch die Betriebsvereinbarung begünstigt wurden, sind von der Kündigung betroffen.

 

Rz. 559

Die gekündigte Betriebsvereinbarung entfaltet auch keine Nachwirkung, da ihre Fortgeltung durch den Betriebsrat nicht erzwingbar ist (BAG v. 9.2.1989 – 8 AZR 310/87, DB 1989, 2339; BAG v. 11.5.1999 – 3 AZR 21/98, BetrAV 2000, 210; BAG v. 17.8.1999 – 3 ABR 55/98, NZA 2000, 498).

 

Rz. 560

§ 77 Abs. 6 BetrVG findet ebenfalls keine Anwendung (BAG v. 18.4.1989 – 3 AZR 688/87, NZA 1990, 67), sodass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates insoweit ausscheidet.

bb) Rechtsfolgen der Kündigung einer Betriebsvereinbarung

 

Rz. 561

Das BAG unterscheidet allerdings zwischen der Kündbarkeit einer Betriebsvereinbarung und den Rechtsfolgen einer Kündigung (BAG v. 10.3.1992 – ABR 54/91, NZA 1993, 234; BAG v. 11.5.1999 – 3 AZR 21/98, BB 2000, 517).

 

Rz. 562

Betriebsvereinbarungen über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterscheiden sich nämlich von den Betriebsvereinbarungen über andere freiwillige Leistungen:

 

Rz. 563

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erhält der Arbeitnehmer erst, wenn er seinerseits vorgeleistet hat. Die Leistung, die durch Versorgung entgolten wird, ist die dem Arbeitgeber während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses erwiesene Betriebstreue, die Gesamtheit der ihm erbrachten Dienste. Die vom Arbeitgeber zugesagte Gegenleistung kann nicht wegfallen, ohne dass es dafür rechtlich billigenswerte Gründe gibt.

 

Rz. 564

Somit entfällt mit dem Wegfall der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der gekündigten Betriebsvereinbarung die Rechtsgrundlage für die Entstehung von Versorgungsansprüchen für alle betriebsangehörigen Arbeitnehmer, die noch keinen Vollanspruch erdient haben. Auch für die betriebliche Altersversorgung gelten die Konsequenzen und Rechtsfolgen des BetrVG. Der Erwerb eines Anspruches auf betriebliche Versorgungsleistungen setzt nämlich nach der Ansicht des BAG voraus, dass die Voraussetzungen un...

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