Rz. 17

Als Hinterbliebene werden regelmäßig die auch in der gesetzlichen Rentenversicherung versorgten Hinterbliebenen vorgesehen. Dies sind die Witwe bzw. der Witwer, Kinder i.S.d. § 32 Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG, frühere Ehegatten, eingetragene Lebenspartner. Darüber hinaus können unter bestimmten Voraussetzungen (namentliche Benennung, gemeinsamer Wohnsitz) auch Lebensgefährten begünstigt werden. Letztendlich ist die Eingrenzung auf den Kreis der auch sozialversicherungsrechtlich versorgten Hinterbliebenen arbeitsrechtlich nicht zwingend (vgl. Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber/Betz-Rehm, § 1 Rn 65, die insoweit auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit abstellen; a.A. Blomeyer/Rolfs/Otto, § 1 Rn 27, die sich an den Regelungen der §§ 46 ff. SGB VI orientieren). Maßgeblich ist vielmehr nach Ansicht der Rspr. der "Versorgungscharakter" der Zusage (BAG v. 19.9.2006, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 16; BAG v. 18.11.2008, BetrAV 2009, 167 = NZA-RR 2009, 153). Voraussetzung ist danach immer ein typisches Versorgungsinteresse ggü. der i.R.d. Hinterbliebenenversorgung begünstigten Person.

 

Rz. 18

Hinterbliebenenleistungen an Witwen/Witwer werden i.d.R. i.H.v. 60 % der erdienten oder erdienbaren Anwartschaft auf Altersversorgung gewährt. Lediglich in älteren Versorgungsordnungen findet man vereinzelt noch einen Versorgungsgrad von 50 %. Soweit Waisenrenten zugesagt sind, wird die Dauer des Rentenbezuges i.d.R. analog zum Bezug des gesetzlichen Kindergeldes nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) bis zum 18., bei einer Berufsausbildung bis max. zum 25. Lebensjahr begrenzt. Die Höhe von betrieblichen Waisenrenten beträgt im Normalfall 10 % (Halbwaisen) bzw. 20 % (Vollwaisen) der erdienten bzw. erdienbaren Altersrente. Witwen-/Witwerrenten und Waisenrenten werden zudem regelmäßig dadurch begrenzt, dass sie zusammen nicht mehr als 100 % der zugesagten Altersrente ausmachen dürfen.

 

Rz. 19

Die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung kann davon abhängig gemacht werden, dass die Ehe des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers im Zeitpunkt seines Todes bereits einen bestimmten Zeitraum lang bestanden hat und vor Eintritt eines Versorgungsfalls bzw. vor dem Ausscheiden aus dem Unternehmen geschlossen worden ist (sog. Spätehenklausel; BAG v. 19.2.2019 – 3 AZR 198/18, juris; LAG Hamm v. 12.9.2017 – 9 Sa 705/17, jurisPR-ArbR 45/2017 m. Anm. Langohr-Plato; BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, NZA 2015, 1447; EuGH v. 24.11.2016 – C-443/15 – NZA 2017, 233). Hierdurch wird ein Leistungsausschluss bei "Versorgungsehen" bzw. "bei Verdacht einer Versorgungsehe" zugelassen (BAG v. 4.7.1989 – 3 AZR 772/87, DB 1989, 2435 = NZA 1990, 273). Derartige Spätehenklauseln sind zumindest dann zulässig, wenn sie altersunabhängig definiert und z.B. vom Ausscheiden aus dem Unternehmen und/oder vom Eintritt in den Ruhestand und/oder vom Eintritt eines Versorgungsfalls abhängig gemacht werden oder auf ein Alter abstellen, das nach Eintritt des Versorgungsfalls liegt. In diesen Fällen liegt nämlich eine Zäsur des Arbeits- und Versorgungsverhältnisses vor, die dazu berechtigt, eine spätere Eheschließung als Leistungsausschluss festzulegen (LAG Hamm v. 12.9.2017 – 9 Sa 705/17 – jurisPR-ArbR 45/2017 m. Anm. Langohr-Plato).

Ein Leistungsausschluss ist ferner zulässig bei einer erheblichen Altersdifferenz zwischen den Eheleuten (BAG v. 16.10.2018 – 3 AZR 520/17, BetrAV 2019, 94 = NZA 2019,176 = Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 6/2019 Anm. 6; BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 43/17, BetrAV 2018, 244 = NZA 2018, 712; Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 18/2018 Anm. 6) sowie für den Fall des Getrenntlebens im Zeitpunkt des Todesfalls des Versorgungsberechtigten (BVerfG v. 29.2.1980, AP Nr. 183a zu § 242 BGB Ruhegehalt; BAG v. 6.9.1979 – 3 AZR 358/78, DB 1980, 112). Zulässig sind außerdem sog. "Wiederverheiratungsklauseln", die einen Wegfall der Hinterbliebenenrente bei Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten entfallen lassen (Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, Anh. § 1 Rn 205). Dagegen verstößt eine Klausel, die eine Waisenrente bei Heirat des Waisen entfallen lässt, gegen Art. 6 GG (LAG Hamm v. 20.5.1980, DB 1980, 1550).

Soweit eine Mindestehedauerklausel in einer Versorgungsordnung/-zusage vereinbart werden soll, ist dies nach der Rechtsprechung des BAG (v. 19.2.2019 – 3 AZR 150/18, BetrAV 2019, 397 = NZA 2019, 918 = Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 22/2019 Anm. 4 sowie v. 2.12.2021 – 3 AZR 254/21, NZA 2022, 481 = Langohr-Plato, juris PR-ArbR 10/2022, Anm. 5) nur dann rechtlich zulässig, wenn es sich um eine Mindestehedauer von einem Jahr handelt. Zudem sollte man, analog zur gesetzlichen Rentenversicherung, die Möglichkeit vorsehen, das Vorliegen einer Versorgungsehe zu widerlegen (vgl. insoweit auch Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, BetrAVG, 7. Aufl., Anh. § 1 Rn 201). Das Interesse des Arbeitgebers, den Kreis der Versorgungsberechtigten zu begrenzen und insbesondere Versorgungsehen von einer Hinterbliebenenversorgung auszunehmen, ist damit hinreichend berücksichtigt.

 

Rz. 20

Fraglich ist vi...

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