Rz. 1

Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist eine Pflichtversicherung. Sie wurde zum Schutz der Verkehrsopfer eingeführt. Um die Bedeutung der Pflichtversicherung zu untermauern, wurde ein fahrlässiger und vorsätzlicher Verstoß unter Strafe gestellt, § 6 PflVG.

 

Rz. 2

Strafbar ist dabei der Gebrauch des Fahrzeugs nur unter der Voraussetzung, dass die erforderliche Haftpflichtversicherung nicht oder nicht mehr besteht. Vorausgesetzt ist danach, dass der Versicherungsvertrag durch Kündigung, Rücktritt, Anfechtung oder in anderer Weise aufgelöst worden ist.[1] Bei einer Verurteilung müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, aufgrund welcher Umstände das Tatgericht von einer zivilrechtlich wirksamen Beendigung des Versicherungsvertrags ausgegangen ist. Es ist entweder darzutun, dass dem Versicherungsnehmer die Kündigung zugegangen ist oder aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die Zugangsfiktion des § 13 Abs. 1 VVG zum Tragen gekommen ist.[2]

Verstöße gegen die Vertragsbedingungen (Obliegenheitsverletzungen, vgl. § 28 VVG) beeinträchtigen nicht den Bestand des Versicherungsvertrages, sondern führen lediglich zur (ggf. auch nur partiellen) Leistungsfreiheit im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Versicherungsverhältnisses kann aber nicht die Strafbarkeit nach § 6 Abs. 1 PflVG begründen.[3]

 

Rz. 3

Muster 34.1: Obliegenheitsverletzungen und Strafbarkeit

 

Muster 34.1: Obliegenheitsverletzungen und Strafbarkeit

Ich bedanke mich für die gewährte Akteneinsicht und nehme nach Rücksprache mit meinem Mandanten wie folgt Stellung:

Vorgeworfen wird meinem Mandanten ein Verstoß gegen § 6 PflVG. Gemäß der hier zu berücksichtigenden Versicherungsbedingungen für die Krafthaftpflichtversicherung darf das Fahrzeug nicht zu Fahrtveranstaltungen und den dazugehörigen Übungsfahrten verwendet werden, bei denen es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt und die behördlich nicht genehmigt sind (nicht genehmigte Rennen). Das ergibt sich aus den AKB.

Dass mein Mandant hiergegen verstoßen hat, führt indes nicht zu einer Strafbarkeit gem. § 6 PflVG. Es handelt sich hierbei lediglich um eine intern geltende Obliegenheit zwischen meinem Mandanten und seinem Kfz-Haftpflichtversicherer. Der eigentliche Versicherungsvertrag bleibt davon unberührt und besteht fort. Insbesondere bleibt der Versicherer trotz der Obliegenheitsverletzung im Außenverhältnis gegenüber Dritten eintrittspflichtig, § 117 Abs. 1 VVG.

Verstöße gegen die Vertragsbedingungen (Obliegenheitsverletzungen, vgl. § 28 VVG) beeinträchtigen nicht den Bestand des Versicherungsvertrages, sondern führen lediglich zur (ggf. auch nur partiellen) Leistungsfreiheit im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Die Verletzung einer Obliegenheitspflicht im Rahmen eines bestehenden Versicherungsverhältnisses kann aber nicht die Strafbarkeit nach § 6 Abs. 1 PflVG begründen (OLG Celle zfs 2014, 451; OLG Hamm StraFo 2007, 172; BayObLGSt 1993, 75).

Ich beantrage deshalb,

das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten einzustellen.

Zudem wird eine Versicherungspflicht des Fahrzeugs vorausgesetzt, die etwa nur bei solchen Fahrzeugen nicht besteht, denen aufgrund geringer Fahrleistung ein Gefährdungspotential abgesprochen wird (z.B. Gabelstapler) oder bei Fahrzeugen von Städten und Kommunen nicht, weil man davon ausgeht, dass diese finanzkräftig sind.[4]

 

Rz. 4

Für die Frage, ob Versicherungsschutz besteht, kommt es ausschließlich auf den formellen Versicherungsschutz an, nicht aber den materiellen (z.B. Verstoß des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten). Diese berechtigen den Versicherer im Innenverhältnis möglicherweise zum Regress gegenüber seinem Versicherungsnehmer, lassen indes die Haftung nach "außen" hiervon unberührt, § 117 Abs. 1 VVG. Hier geht es in der Praxis häufig um den "Missbrauch" roter Kennzeichen.

 

Rz. 5

Muster 34.2: Kein Verstoß bei anderen als Zulassungsfahrten

 

Muster 34.2: Kein Verstoß bei anderen als Zulassungsfahrten

Es mag zutreffen, dass mein Mandant das Fahrzeug nicht lediglich für eine Zulassungsfahrt nutzte, da er um 22.42 Uhr angehalten wurde und zu diesem Zeitpunkt die Zulassungsstelle des Straßenverkehrsamts geschlossen war. Gleichwohl ist hierin eine Strafbarkeit meines Mandanten gem. § 6 Abs. 1 PflVG nicht zu sehen. Der Zweck der Fahrt kann dabei sogar offenbleiben, denn dies hätte lediglich zur Konsequenz, dass mein Mandant gegen eine vertragliche Obliegenheit aus dem Versicherungsvertrag verstoßen hätte. Das formelle Bestehen des Versicherungsvertrages bleibt hiervon unberührt. Eine Strafbarkeit ist somit gerade nicht gegeben (vgl. OLG Celle zfs 2014, 451; OLG Hamm zfs 2007, 375).

 

Rz. 6

Auch das "Frisieren" von Fahrzeugen, z.B. eines Mofas, um höhere Geschwindigkeiten zu erzielen, verstößt nicht gegen § 6 Abs. 1 PflVG. Denn auch in diesem Fall besteht der Haftpflichtvertrag fort.[5]

Demgegenüber wäre der Fall, dass der Versicherungsvertrag gekündigt is...

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