Rz. 148

Anders verhält es sich, wenn der Anwalt für den Schuldner materiell-rechtliche Einwände geltend machen soll. Dann handelt es sich nicht um eine vollstreckungsrechtliche Tätigkeit, sodass nicht Nr. 3309 VV, sondern Nr. 2300 VV greift.[80]

 

Beispiel 97: Vollstreckungsabwehr (Aufrechnung)

Der Gläubiger droht dem Schuldner die Zwangsvollstreckung an. Der Anwalt des Schuldners soll die Zwangsvollstreckung abwehren, weil die titulierte Forderung zwischenzeitlich durch Aufrechnung erloschen sei.

In diesem Fall wendet sich der Schuldner nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, sondern gegen den titulierten Anspruch. Im gerichtlichen Verfahren wäre hier die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegeben, nicht aber ein vollstreckungsrechtlicher Rechtsbehelf. Daher greift in einem solchen Fall nicht die Gebühr nach Nr. 3309 VV. Hier kommt es auf den Auftrag an:

Soll der Anwalt des Schuldners zunächst außergerichtlich tätig werden, so fällt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV an.
Hatte der Anwalt des Schuldners bereits den Auftrag für eine Vollstreckungsabwehrklage, soll er aber zuvor dem Gläubiger noch einmal Gelegenheit geben, von der Vollstreckung Abstand zu nehmen, fällt eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV an.
 

Rz. 149

Soll der Anwalt des Schuldners lediglich eine Stundung erreichen, dürfte mit dem OLG Celle[81] eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV abzulehnen sein. Der Schuldneranwalt soll einen materiell-rechtlichen Einwand schaffen, nämlich eine Stundungsabrede. Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat keinen vollstreckungsrechtlichen Einschlag. Verhandlungen in diesem Stadium werden folglich durch die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV abgegolten.

 

Beispiel 98: Vollstreckungsabwehr (Stundung)

Der Gläubiger droht dem Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung in Höhe von 5.000,00 EUR an. Der Anwalt des Schuldners soll eine Stundung aushandeln.

Auch in diesem Fall wendet sich der Schuldner nicht gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, sondern gegen den titulierten Anspruch, sodass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV anfällt. Der Gegenstandswert dürfte sich gem. § 23 Abs. 3 RVG nach dem Interesse der Stundung richten. Das wiederum entspricht den Zinsen und Kosten, die bei einer Finanzierung zur sofortigen Zahlung anfallen würden. Gegebenenfalls kann man hier auch auf § 31b RVG zurückgreifen. Der Wert beträgt somit 50 % von 5.000,00 EUR = 2.500,00 EUR.

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   288,60 EUR
  (Wert: 2.500,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 308,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,63 EUR
Gesamt   367,23 EUR
 

Rz. 150

Kommt es zu einer Stundungsvereinbarung, dann entsteht auch noch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV (siehe Rdn 80 ff.).

 

Beispiel 99: Vollstreckungsabwehr (Stundung)

Der Gläubiger droht dem Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung in Höhe von 5.000,00 EUR an. Der Anwalt des Schuldners soll eine Stundung aushandeln. Es kommt zu einer Stundungsvereinbarung.

Jetzt entsteht zusätzlich noch eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV. Der Wert der Einigungsgebühr beträgt wiederum 50 % der Forderung.

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   288,60 EUR
  (Wert: 2.500,00 EUR)    
2. 0,7-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 2 VV   155,40 EUR
  (Wert: 2.500,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 464,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   88,16 EUR
Gesamt   552,16 EUR
 

Rz. 151

Kommt es nach einer solchen außergerichtlichen Vertretung zu einer Vollstreckungsabwehrklage, so ist die angefallene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.[82]

 

Beispiel 100: Vollstreckungsabwehr (Aufrechnung)

Der Gläubiger droht dem Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung in Höhe von 5.000,00 EUR an. Der Anwalt des Schuldners weist darauf hin, dass die Forderung durch Aufrechnung erloschen sei. Der Gläubiger bestreitet dies und droht weiterhin mit der Vollstreckung, sodass der Anwalt des Schuldners nunmehr Vollstreckungsabwehrklage einreicht, über die mündlich verhandelt wird.

Für die außergerichtliche Abwehr der Forderung entsteht eine Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) aus dem Wert der Forderung. In Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage entstehen eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) unter Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 4 VV) sowie eine 1,2-Terminsgebühr.

 
I. Außergerichtliche Vertretung
1. 1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   434,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 454,20 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   86,30 EUR
Gesamt   540,50 EUR
II. Vollstreckungsabwehrklage für Gläubiger
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   434,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 217,10 EUR
  0,65 aus 5.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   400,80 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    

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