Rz. 98

Problematisch kann es sein, wenn die Einigung letztlich nicht zustande kommt oder keinen Bestand behält.[54] Wird die Einigung unter einem Widerrufsvorbehalt geschlossen, so entsteht die Einigungsgebühr erst, wenn die Einigung nicht mehr widerrufen werden kann (Anm. Abs. 3 zu Nr. 1000 VV). Ist die Einigung vom Eintritt einer Bedingung abhängig, so entsteht die Gebühr erst mit Eintritt der Bedingung. Ein späterer Rücktritt vom Einigungsvertrag lässt die entstandene Gebühr unberührt, da diese nicht die Wirksamkeit des Vertrages berührt.[55] Eine Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB beseitigt dagegen den Vertrag und führt somit auch zum Wegfall der Einigungsgebühr.[56] Soweit die in der Einigung geregelten Rechtsfolgen aufgrund einer Verfallklausel hinfällig werden (z.B. Nichteinhaltung einer Ratenzahlung), bleibt die Einigungsgebühr wiederum bestehen.[57]

 

Beispiel 57: Zahlungsvereinbarung unter einer Bedingung

Der Kläger hat gegen den Beklagten ein Urteil erwirkt. Nach Androhung der Zwangsvollstreckung bittet der Schuldner um eine Ratenzahlung. Der Anwalt übermittelt dem Schuldner sodann das Angebot einer Zahlungsvereinbarung über eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 100,00 EUR und erklärt, dass er auf eine schriftliche Annahme verzichte und das Angebot als angenommen betrachte, wenn die erste Rate eingeht.

a) Der Schuldner zahlt daraufhin 100,00 EUR.

b) Der Schuldner zahlt nicht oder einen anderen Betrag.

Im Fall a) ist die Zahlungsvereinbarung durch die Zahlung der ersten Rate zustande gekommen (siehe Rdn 81).

Im Fall b) ist die Vereinbarung mangels Bedingungseintritts nicht zustande gekommen.

 

Rz. 99

 

Beispiel 58: Zahlungsvereinbarung mit Verfallklausel oder Rücktritt

Der Kläger hat gegen den Beklagten ein Urteil erwirkt. Nach Androhung der Zwangsvollstreckung bittet der Schuldner um eine Ratenzahlung. Der Anwalt schließt für den Gläubiger mit dem Schuldner sodann eine Zahlungsvereinbarung über eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 100,00 EUR. Der Schuldner zahlt zunächst fünf Raten. Dann stellt er die Zahlungen ein.

a) Für den Fall des Ausbleibens war in der Zahlungsvereinbarung geregelt, dass die dann noch offene Restforderung sofort fällig werde.

b) Wegen Zahlungsverzugs wird der Rücktritt von der Vereinbarung erklärt.

In beiden Fällen ist eine Zahlungsvereinbarung wirksam zustande gekommen. Die dadurch verdienten Gebühren bleiben bestehen.

 

Rz. 100

Kommt es nach Rücktritt oder Eintritt einer Verfallklausel zu einer neuen Vereinbarung, entstehen die Gebühren erneut, da nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG eine neue Angelegenheit vorliegt.[58]

 

Beispiel 59: Mehrere nacheinander folgende Zahlungsvereinbarungen

Der Kläger hat gegen den Beklagten ein Urteil über eine Forderung in Höhe von 5.000,00 EUR ohne Zinsen erwirkt. Nach Androhung der Zwangsvollstreckung wird eine Zahlungsvereinbarung geschlossen, wonach der Beklagte die gesamte Forderung in monatlichen Raten zu 300,00 EUR tilgen darf und der Kläger auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet, solange die Raten pünktlich gezahlt werden. Für den Fall, dass eine Rate mehr als 14 Tage ausbleibt, soll die Restforderung sofort fällig werden. Die Kosten der Vereinbarung trägt der Schuldner. Dieser zahlt fünf Raten und stellt danach die Zahlungen ein. Daraufhin droht der Anwalt wegen des Restbetrages die Zwangsvollstreckung erneut an, woraufhin über den Restbetrag eine neue Zahlungsvereinbarung geschlossen wird.

Jetzt liegen gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG zwei Vollstreckungsangelegenheiten vor, sodass sowohl die Verfahrensgebühr als auch die Einigungsgebühr gesondert angefallen sind. Bei der ersten Vollstreckung beträgt der Wert der Verfahrensgebühr 5.000,00 EUR, der Wert der Einigung 50 % davon (2.500,00 EUR); bei der zweiten Vollstreckung beträgt der Wert der Verfahrensgebühr nur noch 3.500,00 EUR (restliche Hauptforderung) zuzüglich 327,96 EUR Kosten der vorherigen Vollstreckung, also 3.827,96 EUR; der Wert der Einigungsgebühr beträgt 50 % hiervon, also 1.913,98 EUR.

Abzurechnen ist wie folgt:

 
I. Erste Vollstreckung    
1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV   100,20 EUR
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
2. 0,7-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 2 VV   155,40 EUR
  (Wert: 2.500,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 275,60 EUR  
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   52,36 EUR
Gesamt   327,96 EUR
II. Zweite Vollstreckung    
1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV   83,40 EUR
  (Wert: 3.827,96 EUR)    
2. 0,7-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 2 VV   116,20 EUR
  (Wert: 1.913,98 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 219,60 EUR  
4. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   41,72 EUR
Gesamt   261,32 EUR
[54] Siehe hierzu N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 347 ff.
[55] OLG Koblenz JurBüro 1986, 1526.
[56] OLG München AnwBl 1991, 273; a.A. OLG Schleswig JurBüro 1991, 932 (Bestehenbleiben der Einigungsgebühr).
[57] N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 347 ff.
[58] Siehe hierzu N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 347 ff.

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