Rz. 8

Anspruch auf Bürgergeld (vormals Arbeitslosengeld II) haben erwerbsfähige Leistungsberechtigte (§ 19 S. 1 SGB II). Die allgemeine Berechtigung für Leistungen nach dem SGB II ist in § 7 SGB II geregelt. Formell ist gemäß § 37 Abs. 1 SGB II ein Antrag auf Leistungsgewährung erforderlich.

 

Rz. 9

Leistungen nach dem SGB II erhalten gem. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–4 SGB II Personen, die

das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1),
erwerbsfähig sind (Nr. 2),
hilfebedürftig sind (Nr. 3) und
ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).
Besonderheiten gelten bei Ausländern (§ 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2).[17]
 

Rz. 10

Ob der Betroffene erwerbsfähig und hilfebedürftig ist, wird einheitlich im Verfahren nach §§ 44a ff. SGB II festgestellt.

[17] Siehe hierzu Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Knickrehm, § 7 Rn 14 ff.; BeckOGK/Baldschun, SGB II, § 7 Rn 88.

I. Erwerbsfähigkeit

 

Rz. 11

Erwerbsfähig ist gemäß § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit[18] oder Behinderung[19] auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Für Ausländer gilt zusätzlich § 8 Abs. 2 SGB II, wonach die Aufnahme einer Beschäftigung zumindest erlaubnisfähig wäre.

 

Rz. 12

Die Definition des § 8 Abs. 1 SGB II lehnt sich an die Definition der vollen Erwerbsminderung in § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI an,[20] wobei aber zu beachten ist, dass die Erwerbsunfähigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II nicht identisch ist mit voller Erwerbsminderung i.S.v. § 43 SGB VI.

 

Rz. 13

Eine Verhinderung der Erwerbstätigkeit aus anderen Gründen als Krankheit oder Behinderung ist unbeachtlich.[21] Die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit erfolgt insoweit allein aus gesundheitlicher Sicht.[22]

 

Rz. 14

Unter "auf nicht absehbare Zeit zur Erwerbstätigkeit außerstande" ist wie im Rentenversicherungsrecht (§ 101 Abs. 1 SGB VI) oder nach § 2 Abs. 1 SGB IX mit einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten zu bestimmen.[23]

 

Rz. 15

Auf die üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nimmt auch § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III bei der Ausgestaltung der Verfügbarkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Bezug; auf die entsprechenden obigen Ausführungen (siehe Rdn 24 ff.) wird insoweit verwiesen. Der sprachliche Unterschied zwischen § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III (Bedingungen des für den Betroffenen "in Betracht kommenden Arbeitsmarktes") und § 8 Abs. 1 SGB II (Bedingungen des "allgemeinen Arbeitsmarktes") hat insoweit auch weiterhin keine Bedeutung.

 

Rz. 16

Die Bestimmung in § 8 Abs. 1 SGB II, dass eine Erwerbstätigkeit mindestens drei Stunden täglich möglich sein muss, ist auch im Hinblick auf die Regelung der Beschäftigungslosigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III stimmig, jedenfalls soweit man eine Fünf-Tage-Woche zugrunde legt.

[18] Dazu Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Knickrehm, § 8 Rn 3, 4, 5, 6 m.w.N.
[19] Hierzu Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Knickrehm, § 8 Rn 4, 5, 6, 7, 8 m.w.N.
[20] Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Knickrehm, § 8 Rn 8; LSG Hamburg v. 3.3.2020 – L 4 AS 89/18, BeckRS 2020, 10410; SG Braunschweig v. 21.3.2019 – S10AS 75/19 ER.
[21] Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Knickrehm, § 8 Rn 6; Küttner/Voelzke, Arbeitslosengeld II Rn 10, Eicher/Blüggel, § 8 Rn 27 f.
[22] Vgl. Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Knickrehm, § 8 Rn 6; BeckOGK/Bender, SGB II, § 8 Rn 18 ff.
[23] Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Knickrehm, § 8 Rn 11 m.w.N.; Küttner/Voelzke, Arbeitslosengeld II Rn 10.

II. Hilfebedürftigkeit

 

Rz. 17

Bislang war gemäß § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Eigene Kräfte und Mittel waren vor allem die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) und das zu berücksichtigende Einkommen und/oder Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Mit Wirkung zum 1.1.2011 wurde das Kriterium der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit aus dem Begriff der Hilfebedürftigkeit herausgenommen. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung klarstellen, dass Hilfebedürftigkeit nur dann vorliegt, wenn das vorhandene, zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht.[24]

§ 9 Abs. 4 SGB II stellt klar, dass auch derjenige hilfebedürftig ist, der zwar über berücksichtigungsfähiges Vermögen verfügt, dessen sofortiger Verbrauch oder sofortige Verwertung aber nicht möglich ist oder eine besondere Härte bedeuten würde. In einem solchen Fall werden die Leistungen als Darlehen erbracht, § 24 Abs. 5 SGB II.

[24] Knickrehm/Roßbach/Waltermann/Becker, § 9 Rn 1.

1. Ermittlung des Grundsicherungsbedarfs

 

Rz. 18

Die Beurteilung, ob der erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihm in einer Bedarfsgeme...

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