Rz. 55

Eine Verpflichtung, einen Unternehmenskaufvertrag abzuschließen, besteht im vorvertraglichen Stadium grundsätzlich nicht. Bei größeren Transaktionen, bei denen auf beiden Seiten Berater tätig sind, wird eine solche Haftung typischerweise bereits im LoI oder MoU ausgeschlossen. In Betracht kommt aber – wie auch bei anderweitigen Vertragsverhandlungen – stets ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen (cic), § 311 Abs. 2 BGB.[5]

 

Rz. 56

Eine Verletzung von Sorgfaltspflichten kann z.B. darin bestehen, dass in dem anderen Vertragspartner schuldhaft ein besonderes Vertrauen erweckt wird oder ihm ausdrücklich oder konkludent in Aussicht gestellt wird, dass es sicher zum Vertragsabschluss kommen würde.[6] Die bloße Möglichkeit, an einen anderen Kaufinteressenten zu einem höheren Kaufpreis zu verkaufen, wurde von der Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht als triftiger Grund anerkannt.[7] Ansprüche im Zusammenhang mit beurkundungsbedürftigen Geschäften (Asset Deal mit Grundstück, GmbH-Anteile) bestehen allerdings nur, wenn zusätzlich zum in Anspruch genommenen besonderen Vertrauen noch eine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung anzunehmen ist.[8] Diese ist jedoch nur gegeben, wenn (i) die Existenz des Vertragspartners bedroht wird oder (ii) eine nicht vorhandene Abschlussbereitschaft vorgespiegelt wurde oder ursprünglich eine Abschlussbereitschaft vorhanden war, diese aber im Laufe der Verhandlungen aufgegeben wurde und dies dem Vertragspartner aber nicht offengelegt wurde.[9] Erstere Alternative dürfte in der Situation des Unternehmensverkaufs selten vorliegen, während die zweite Alternative als Bestandteil des Forum Internums selten zu beweisen sein wird. Jedenfalls im Bereich größerer Unternehmensverkäufe ist die Zahl der Inanspruchnahmen wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen aus § 311 Abs. 2 BGB sehr selten und tendiert, jeweils offiziell, gegen null.

 

Rz. 57

Die Haftung wegen enttäuschten Vertrauens ist grundsätzlich auf den Ersatz des sog. Vertrauensschadens gerichtet. Demzufolge ist der Vertragspartner (in Geld) so zu stellen, wie er stünde, wenn das haftungsbegründende Verhalten ausgeblieben wäre.[10] Ein etwaiges Mitverschulden der geschädigten Verhandlungspartei ist auch beim Unternehmenskauf grundsätzlich zu berücksichtigen, nicht ausreichend ist hierfür nach richtiger Auffassung eine mangelnde oder nicht sorgfältig durchgeführte Due Diligence.[11]

[5] Vgl. insoweit BGHZ 71, 386 ff.; BGHZ 92, 164, 175 ff.; BGH WM 1989, 687.
[10] BGH NJW 1977, 1536 f.; BGH NJW 1980, 2408 f.
[11] Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, § 16 Rn 65, a.A. Picot, Unternehmensverkauf, S. 52 ff.

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