Leitsatz (amtlich)

Wird der Abschluß eines formbedürftigen Vertrages als sicher dargestellt, kann den Abbruch der Verhandlungen durch einen Partner grundsätzlich nur dann einen Schadensersatzanspruch des anderen begründen, wenn das Verhalten des Abbrechenden einen schweren Verstoß gegen die Verpflichtung zu redlichem Verhalten bei den Vertragsverhandlungen bedeutet. Dies erfordert in der Regel die Feststellung vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 313

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 14.01.1994; Aktenzeichen 18 O 238/92)

OLG Köln (Aktenzeichen 11 U 49/94)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 17. August 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über das Rechtsmittel nicht bereits durch Beschluß des Senats vom 16. November 1995 entschieden worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger hatte im Erdgeschoß und Keller des Hauses B. Straße in L.-O. Räume zum Betrieb einer Druckerei gemietet. Im Sommer 1989 erwarb der Beklagte das Grundstück. Zur besseren wirtschaftlichen Nutzung plante er, das Gebäude umzubauen, um einen Anbau zu erweitern und in Teileigentum aufzuteilen. In diesem Zusammenhang kam es im Frühjahr 1991 zu Verhandlungen zwischen den Parteien über den Verkauf der vom Kläger genutzten und weiterer Räume zum Preis von 750.000 DM. Diese gaben dem Kläger Anlaß, von Ende April 1991 bis Februar 1992 Umbaumaßnahmen auszuführen.

Im Oktober und Dezember 1991 kam es zu Gesprächen zwischen den Parteien wegen eines Termins zur Beurkundung des Verkaufs. Der Verkauf scheiterte schließlich daran, daß der Beklagte hierzu nur noch zum Preis von 1.000.000 DM bereit war.

Nach Kündigung des Mietverhältnisses durch den Beklagten räumte der Kläger im Sommer 1992 das Anwesen. Gegen die Mietzinsforderung des Beklagten für den Zeitraum ab April 1992 hat er mit einem Anspruch auf Erstattung der Kosten seiner Baumaßnahmen, der Kosten für das Umsetzen und der Reparatur von Maschinen wegen Baumaßnahmen des Beklagten und im Hinblick auf diese – nach Minderung – überzahltem Mietzins in Höhe von 20.150 DM aufgerechnet. Mit der Klage hat er vom Beklagten die Bezahlung eines überschießenden Betrages von 154.716,34 DM verlangt. Er hat geltend gemacht, die Parteien seien sich über den Verkauf einig gewesen. Allein auf Wunsch des Beklagten, der Steuernachteile befürchtet habe, habe die Beurkundung erst im Spätjahr 1991 erfolgen sollen. Seine Baumaßnahmen seien im Einverständnis mit dem Beklagten erfolgt. Aus ungerechtfertigter Bereicherung und unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen schulde dieser die Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten.

Der Beklagte hat die Einigung über den Verkauf und sein Einverständnis mit den Arbeiten des Klägers in Abrede gestellt und widerklagend restlichen Mietzins, Nutzungsentschädigung und Erstattung von Kosten für die Beseitigung eines Teils der Umbaumaßnahmen begehrt.

Das Landgericht hat der Klage durch Teil-Grundurteil stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision erstrebt er die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen. Die Revision des Beklagten ist vom Senat nicht angenommen worden, soweit sie sich gegen die dem Grunde nach festgestellte Berechtigung des Klägers zur Minderung der vereinbarten Miete in Höhe von insgesamt 20.150 DM wendet.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Parteien seien sich über den Vertragsschluß einig gewesen, der Beklagte sei mit den Baumaßnahmen des Klägers einverstanden gewesen und habe ihm die über die gemieteten Räume hinaus nach dem beabsichtigten Verkauf geschuldeten Räume zum Ausbau überlassen. Es meint, wenn der Beklagte wegen der Höhe des Kaufpreises noch Vorbehalte gehabt habe, hätte er den Kläger vor Aufnahme seiner Bautätigkeit auf diese hinweisen müssen.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.

II.

1. a) Im Rahmen der Vertragsfreiheit hat jeder Vertragspartner bis zum Vertragsabschluß das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsabschluß Abstand zu nehmen. Aufwand, der in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht wird, erfolgt daher grundsätzlich auf eigene Gefahr (BGH, Urt. v. 22. Februar 1989, VIII ZR 4/88, ZIP 1989, 514, 515; MünchKomm-BGB/Emmerich, 3. Aufl., vor § 275 Rdn. 160; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., vor § 275 Rdn. 136). Nur wenn der Vertragsschluß nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluß gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen zu erstatten sein, wenn er den Vertragsabschluß später ohne triftigen Grund ablehnt (BGHZ 76, 343, 349; Urteile v. 6. Februar 1969, II ZR 86/67, WM 1969, 595, 597; v. 12. Juni 1975, X ZR 25/73, WM 1975, 923, 925).

Eine so begründete Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens bedeutet indessen einen indirekten Zwang zum Vertragsabschluß. Dieser Zwang läuft dem Zweck der Formvorschrift von § 313 Satz 1 BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll (Senat, BGHZ 116, 251, 257). Im Bereich nach § 313 Satz 1 BGB zu beurkundender Rechtsgeschäfte löst der Abbruch von Vertragsverhandlungen, deren Erfolg als sicher anzunehmen war, durch einen der Verhandlungspartner daher auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund für den Abbruch fehlt (Senat. Urt. v. 8. Oktober 1982, V ZR 216/81, WM 1982, 1436, 1437; Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093, 1101).

b) Die Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen die Formvorschrift von § 313 Satz 1 BGB hat indessen zurückzutreten, wenn sie nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist, etwa weil sie die Existenz des anderen Vertragsteils gefährdet (BGHZ 12, 286; 23, 249) oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treupflichtverletzung bedeutet (BGHZ 29, 6, 10 f; 48, 396, 397 ff; 85, 315, 318 f).

Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beantwortung der Frage auszugehen, ob ein Verhandlungspartner bei Abbruch der Verhandlungen unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo verpflichtet ist, Aufwendungen des anderen zu ersetzen. Die Verantwortlichkeit des Verhandlungspartners unterliegt daher keinen Einschränkungen im Hinblick auf die Formbedürftigkeit des abzuschließenden Vertrages, sofern die Berufung auf den Formmangel zurückzuweisen ist (BGHZ 92, 164, 175 f). Soweit dies daraus folgt, daß das Verhalten des in Anspruch Genommenen sich als besonders schwerwiegender Treueverstoß darstellt, kommt damit in der Regel nur eine vorsätzliche Treupflichtverletzung als Grundlage eines Schadenersatzanspruchs aus culpa in contrahendo in Betracht, wie sie im Vorspiegeln tatsächlich nicht vorhandener Abschlußbereitschaft liegt (Senat. Urt. v. 18. Oktober 1974, V ZR 17/73, NJW 1975, 43; Soergel/Wiedemann, aaO. vor § 275 BGB Rdn. 135; Reinicke/Tiedtke, aaO, 1096).

Dies ist bisher nicht festgestellt. Das Berufungsgericht sieht als erwiesen an, daß der Beklagte den Abschluß eines Kaufvertrags mit dem Kläger zum Preis von 750.000 DM als sicher hingestellt hat. Die weiteren Ausführungen des Urteils, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, Vorbehalte zu offenbaren, lassen nicht erkennen, ob die Feststellung getroffen ist, der Beklagte habe schon vor Ende Dezember 1991 derartige Vorbehalte gehabt, oder ob sie dahin zu verstehen sind, daß der Beklagte verpflichtet war, etwaige Vorbehalte dem Kläger zu offenbaren. Zur Unklarheit des Berufungsurteils trägt insoweit bei, daß der Kläger arglistiges Verhalten des Beklagten nicht behauptet und sich dessen Vortrag auch nicht zu eigen gemacht hat, zum Abschluß des Vertrages zum Preis von 750.000 DM tatsächlich nicht bereit gewesen zu sein. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils gibt den Parteien insoweit Gelegenheit zu weiterem Vortrag.

c) Dem Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Bereitschaft, einen Vertrag zu bestimmten Bedingungen, insbesondere zu einem bestimmten Preis, abzuschließen, ist nach Treu und Glauben der Fall gleichzustellen, daß ein Verhandlungspartner zwar zunächst eine solche, von ihm geäußerte, Verkaufsbereitschaft tatsächlich gehabt hat, im Verlaufe der Verhandlungen aber innerlich von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren (vgl. BGH, Urt. v. 19. Januar 1979, I ZR 172/76, LM BGB § 313 Nr. 80, Bl. 5/6; Soergel/Wiedemann, aaO, Rdn. 135 f; Reinicke/Tiedtke, aaO, S. 1096). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der potentielle Verkäufer bereits mit Aus- und Umbaumaßnahmen des Kaufinteressenten einverstanden erklärt hatte. In allen solchen Fällen wird durch die Äußerung einer endgültigen Abschlußbereitschaft zu bestimmten Bedingungen dem Verhandlungspartner der Eindruck einer besonderen Verhandlungslage vermittelt, der ihn der erhöhten Gefahr nachteiliger Vermögensdispositionen aussetzt. Diese besondere Gefährdungslage begründet eine gesteigerte Vertrauensbeziehung, die den Verhandelnden zu erhöhter Rücksichtnahme auf die Interessen seines Partners verpflichtet. Aus ihr folgt gleichermaßen die Verpflichtung, den Partner vor einem Irrtum über den (Fort-)Bestand einer geäußerten, tatsächlich aber nicht (mehr) vorhandenen endgültigen Abschlußbereitschaft zu bestimmten Bedingungen zu bewahren.

Gegen eine solche Aufklärungspflicht kann der Beklagte hier verstoßen haben. Er hat in anderem Zusammenhang geltend gemacht, im Spätjahr 1991 habe sich gezeigt, daß die mit 1.500.000 DM kalkulierten Kosten seines Um- und Ausbauvorhabens nicht hinreichen, sondern tatsächlich etwa 3.000.000 DM betragen würden. Deshalb habe er seine anfängliche Kalkulation nicht einhalten können. Damit aber war nach seinem Vorbringen seit diesem Zeitpunkt die Grundlage der Annahme des Klägers entfallen, der Vertrag zwischen den Parteien werde zustande kommen. Die nach den vorangegangenen Verhandlungen vom Kläger als sicher anzunehmende Abschlußbereitschaft des Beklagten war spätestens jetzt nicht mehr gegeben. Die eingetretene Ungewißheit blieb dem Kläger verborgen, während der Beklagte sie kannte. Sein vorangegangenes Verhalten und seine Kenntnis von den laufenden Arbeiten des Klägers verpflichteten ihn deshalb, den Kläger unverzüglich von der Änderung seiner Preisvorstellung zu unterrichten, um diesem Gelegenheit zu geben, von weiteren Investitionen in den Um- und Ausbau der ihm überlassenen Räume Abstand zu nehmen.

Auch insoweit fehlt es an Vortrag, der eine exakte zeitliche Bestimmung und Zuordnung des Aufwands ermöglicht.

2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nicht unter dem Gesichtspunkt mitwirkenden Verschuldens gemindert, soweit er auf Aufwendungen beruht, die der Kläger gemacht hat, bevor er von der Änderung des Preisverlangens des Beklagten erfuhr. Da der Aufwand des Klägers im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages nur zu ersetzen ist, wenn der Beklagte dessen Abschluß trotz seiner Vorbehalte als sicher hingestellt und damit arglistig gehandelt hat, hätte ein allenfalls als fahrlässig zu bewertendes Mitverschulden des Klägers gegenüber dem vorsätzlichen Verhalten des Beklagten zurückzutreten (BGHZ 98, 148, 158 f).

An einer Verantwortlichkeit des Beklagten fehlt es dagegen hinsichtlich Aufwendungen, die der Kläger gemacht hat, nachdem er nicht mehr sicher sein konnte, daß es zum Abschluß des Vertrages über das zu bildende Teileigentum kommen werde. Investitionen, die er gemacht hat, nachdem der Beklagte die Erhöhung seines Kaufpreisverlangens offenbart hatte, sind daher nicht zu ersetzen. Sie beruhen nicht auf Vertrauen in das Zustandekommen des Vertrages, sondern auf bloßer Spekulation.

Auch insoweit fehlt es an der notwendigen Aufgliederung des vom Kläger behaupteten Aufwands.

3. Soweit die Aufwendungen des Klägers nicht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen zu ersetzen sind, schließt dies eine Erstattungspflicht des Beklagten jedoch nicht ohne weiteres aus. Soweit die Arbeiten des Klägers zum Ausbau der Räume sonst vom Beklagten vorzunehmen gewesen wären, kann der Beklagte ihre Kosten dem Kläger nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung zu ersetzen haben.

4. Das Berufungssurteil gibt weiter Anlaß, darauf hinzuweisen, daß Ersatzansprüche des Klägers wegen Schäden an seinen Maschinen, die auf Bauarbeiten des Beklagten beruhen, von der Ersatzpflicht für seine Aufwendungen und einer Bereicherung des Beklagten unabhängig sind. Schließlich wird das Berufungsgericht auf eine Darlegung des Klägers hinzuwirken haben, welche oder welcher Teil der geltend gemachten Forderungen durch die Aufrechnung mit den Mietzinsansprüchen des Beklagten erfüllt ist, §§ 396 Abs. 1, 366 Abs. 2 BGB.

 

Unterschriften

H, L, T, K, K

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 29.03.1996 durch Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 512683

BB 1996, 1238

NJW 1996, 1884

BGHR

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1996, 1174

JZ 1997, 467

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