Rz. 15
Ergibt sich aus dem Führerschein selbst oder aus anderen vom Ausstellerstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen, dass bei der Ausstellung das Wohnsitzprinzip nicht eingehalten wurde, so darf der Aufenthaltsstaat die Anerkennung des Führerscheins verweigern.[42] Eine Pflicht zur Anerkennung eines EU-Führerscheins in einem anderen Mitgliedstaat der EU besteht auch dann nicht, wenn ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip offensichtlich ist und gegen den Führerscheininhaber in dem Aufenthaltsstaat, der den Führerschein anerkennen soll, noch keine führerscheinrechtlichen Maßnahmen, insbesondere ein Entzug der FE,[43] ergriffen worden waren. Das hat der Europäische Gerichtshof[44] entschieden.[45] Der EuGH hat in dieser Entscheidung betont, dass das Wohnsitzprinzip zu den aus Gründen der Verkehrssicherheit in der Zweiten Führerschein-Richtlinie festgelegten Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins zählt. Die Wohnsitzvoraussetzung trage mangels einer vollständigen Harmonisierung der Regelungen der Mitgliedstaaten über die Erteilung der FE auch dazu bei, den "Führerschein-Tourismus" zu bekämpfen. Ein ordentlicher Wohnsitz im Ausstellerstaat sei unerlässlich, um die Einhaltung der Voraussetzungen der Fahreignung zu überprüfen. Wegen der klaren Betonung der Bedeutung des Wohnsitzprinzips für die Führerscheinausstellung dürfte die Rechtsprechung auch für die Auslegung der Dritten Führerschein-Richtlinie von Bedeutung sein, die das Wohnsitzprinzip ebenfalls als zentrale Erteilungsvoraussetzung benennt (Art. 7 Abs. 1 lit. e, Art. 12 der Dritten Führerschein-Richtlinie).
Häufiges Beispiel
In einen durch die Tschechische Republik ausgestellten Führerschein ist im Feld 8 des Führerscheinformulars[46] als Wohnsitz ein Ort angegeben, der in Deutschland liegt.[47] Hier folgt aus dem Führerscheinformular, dass die tschechische Republik bei der Ausstellung gegen das Wohnsitzprinzip verstoßen hat. Der Führerschein muss daher nicht anerkannt werden.[48]
Rz. 16
Anmerkung: Die Europäische Kommission hat am 19.11.2015 beschlossen, die Tschechische Republik, Estland, Italien, Portugal und Slowenien vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, da diese Mitgliedstaaten die 3. Führerschein-Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hätten. U.a. habe es die Tschechische Republik versäumt, im Zeitraum 2004 bis 2011 sicherzustellen, dass Führerscheine nur an Personen mit Wohnsitz in der Tschechischen Republik ausgestellt werden. Dies sei aber wichtig, um den so genannten "Führerscheintourismus" zu unterbinden.[49]
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