Rz. 217

Ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein individuell angebrachtes Zeugnis, das seine Leistungen und Führung so feststellt und würdigt, dass der Leser des Zeugnisses ein anschauliches und zutreffendes Bild von seinen Kenntnissen, Fähigkeiten, Arbeitserfolgen und seiner Persönlichkeit erhält, wie es der Wahrheit entspricht. Ein zu dürftiges Zeugnis über Leistung und Führung des Arbeitnehmers, das den Leser zu negativen Rückschlüssen auf seine Person und seinen Charakter veranlassen kann, wird den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht.

 

Rz. 218

Für die Art der Formulierung des Zeugnisses kann auch einem langen Bestand des Arbeitsverhältnisses Maßgeblichkeit zukommen. Nach langjähriger Beschäftigung wird im Allgemeinen ein völlig farbloses Zeugnis des Arbeitgebers dem Gesetz nicht genügen. Dies gilt insb. dann, wenn in dem weiteren Zeugnis nur Selbstverständlichkeiten wie Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit hervorgehoben werden und die genannten Formulierungen ohne Kontext stehen (LAG Baden-Württemberg v. 6.2.1968, BB 1968, 381 = ARST 1968, 125).

 

Rz. 219

Die Charakterisierung wirkt jedoch insgesamt gesehen positiv, wenn der Arbeitgeber einer kaufmännischen Angestellten bescheinigt, sie "als ehrliche, zuverlässige, loyale und pünktliche Mitarbeiterin kennengelernt" zu haben, und ihr im Weiteren bestätigt, dass sie im Umgang mit den Kunden Verhandlungsgeschick und gute Umgangsformen bewiesen habe. In einem solchen Falle kann das Wort "pünktlich" von einem objektiven Leser nicht als "Überpünktlichkeit" und damit im Sinne einer negativen Aussage verstanden werden (ArbG Bayreuth v. 26.11.1991 – 1 Ca 669/91, NZA 1992, 799).

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