A. Einführung

 

Rz. 1

Auch wenn die nach dem Tod eines Menschen eintretenden Rechtsfolgen maßgeblich von der zivilrechtlichen Rechtslage bestimmt werden, ergeben sich doch auch maßgebliche, in vielen Fällen sogar ebenso bedeutsame steuerrechtliche Konsequenzen.

 

Rz. 2

Denn neben den Steuern von Einkommen und Ertrag (insbesondere Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) ist im deutschen Steuerrecht auch eine Besteuerung von unentgeltlichen Vermögensübergängen – sowohl im Erbfall als auch bei Schenkungen – vorgesehen. Obwohl der Gesetzgeber grundsätzlich bemüht ist, die einzelnen steuerlichen Tatbestände so aufeinander abzustimmen, dass Doppelbelastungen möglichst vermieden werden, wird diese Zielsetzung in der Praxis nicht selten verfehlt. Dies gilt auch für das Zusammenspiel von Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer und Einkommensteuer. Denn beide sind grundsätzlich als Steuern auf den Vermögenserwerb anzusehen, wobei die Erbschaft- und Schenkungsteuer ausdrücklich auf unentgeltliche Vermögensmehrungen abzielt. Vor diesem Hintergrund kann es zu Überschneidungen zwischen Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer und Einkommensteuer bereits begrifflich in der Regel nicht kommen, da der Einkommensteuer nur solche Vorgänge unterliegen, die einer der sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–7 EStG) unterfallen. Unentgeltliche Vorgänge liegen aber grundsätzlich gerade nicht im Rahmen einer der Einkunftsarten des Einkommensteuerrechts.

 

Rz. 3

Nichtsdestotrotz ergeben sich gerade im Bereich der Erbauseinandersetzung immer wieder Konstellationen, in denen sowohl Erbschaftsteuer als auch Einkommensteuer anfallen. Zwar knüpfen beide Steuern an die Verwirklichung unterschiedlicher Tatbestände an, im Ergebnis wird der Steuerpflichtige aber dennoch – mehr oder weniger – im Rahmen ein und desselben Lebenssachverhalts zweimal mit Steuern belastet, weil es auch bei der Auseinandersetzung zu so genannten Gewinnrealisierungen kommen kann. Nicht zuletzt im Hinblick auf diese möglichen Doppelbelastungen sind nachfolgend die wesentlichen Funktionsprinzipien sowie einige für die Praxis wesentliche Details sowohl des Ertragsteuerrechts als auch des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts darzustellen.

 

Rz. 4

Selbstverständlich ist die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer (vgl. Teil B. Rdn 5 ff.) in allen Sachverhalten rund um die Vermögensnachfolge stets berührt. Nichtsdestotrotz sollen in diesem Beitrag auch die Grundzüge einiger (anderer) Steuerarten (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, vgl. Teil C. Rdn 390 ff.) kurz erläutert werden. Diese sind nicht alle unmittelbar für die Vermögensnachfolge relevant. Ein grundsätzliches Verständnis der Funktionsprinzipien ist aber in jedem Falle hilfreich; dies gilt auch für einige Aspekte der Umsatzsteuer (Teil H. Rdn 861 ff.). Für den Berater unabdingbar ist die Kenntnis der ertragsteuerlichen Folgen des Erbfalls bzw. der Erbauseinandersetzung (Teil F. Rdn 652 ff.).

Auch die Grunderwerbsteuer spielt sowohl bei Erbschaften und ihren Auseinandersetzungen als auch bei vorweggenommenen Erbfolgen und (gewöhnlichen) Schenkungen eine – mitunter vernachlässigte – Rolle. Einige wesentliche Gesichtspunkte werden in Teil E. (siehe Rdn 735 ff.) erläutert.

B. Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht

I. Grundsätzliches – Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 und Folgeänderungen

 

Rz. 5

Mit Beschl. v. 7.11.2006 hatte das BVerfG das bis zum 31.12.2008 geltende Erbschaftsteuerrecht, vornehmlich aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsansätze von Betriebs-, Grund- und Kapitalvermögen, für verfassungswidrig erklärt, da es nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sei. Daraufhin trat am 1.1.2009 das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts in Kraft, das allerdings schon bald erneut auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand genommen wurde. Das daraufhin ergangene Urteil des BVerfG vom 27.11.2014[1] stellte zwar klar, dass das grundsätzliche Verschonungskonzept für Produktivvermögen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nichtsdestotrotz war der Gesetzgeber erneut aufgerufen, im Detail nachzuarbeiten. Auch die jüngsten Änderungen des ErbStG durch das erst im November 2016 verabschiedete, aber mit Rückwirkung auf den 1.7.2016[2] in Kraft getretene "Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts"[3] (nachfolgend: ErbStG 2016) werfen eine Vielzahl neuer Fragen auf. Dies gilt insbesondere für die Detailregelungen in den neu gefassten §§ 13a ff. ErbStG.

Zuletzt wurde das ErbStG mit Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen und Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 geändert.

Am 11.10.2019 wurden schließlich die nun geltenden ErbStR 2019 verabschiedet.

Mit dem JStG 2020[4] wurden weitere einschneidende Änderungen im Bereich des Schuldenabzugs (§ 10 ErbSt) vorgenommen.

Aktuell sind im Rahmen des sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetzes[5] kleinere Änderungen und die Ergänzung eines neuen § 2a ErbStG (mit Wirkung zum 1.1.2024) geplant.

 

Rz. 6

Die Erbschaftsteuer knüpft an die Übertragung von Vermögen (Erwerb von T...

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