Rz. 52

Ist im vorangegangenen Besteuerungs-, Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr angefallen, so ist diese zur Hälfte anzurechnen, höchstens jedoch zu 0,75 (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV). Sind dem gerichtlichen Verfahren mehrere anzurechnende Gebühren vorausgegangen, ist nur die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV hälftig anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV).

 

Beispiel 18: Erstinstanzliches Verfahren vor dem FG mit vorangegangenem Einspruchsverfahren

Gegen den Mandanten ist ein Steuerbescheid über 4.000,00 EUR ergangen. Der Mandant beauftragt den Anwalt, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen und, nachdem dieser zurückgewiesen worden ist, hiergegen Klage zu erheben. Es wird mündlich verhandelt.

Vorgerichtlich ist eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV angefallen. Diese ist nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV zur Hälfte anzurechnen.

 
I. Einspruchsverfahren
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   417,00 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 437,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   83,03 EUR
Gesamt   520,03 EUR
II. Rechtsstreit
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV   444,80 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen,   – 208,50 EUR
  0,75 aus 4.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV   333,60 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 589,90 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   112,08 EUR
Gesamt   701,98 EUR
 

Rz. 53

Ebenso ist anzurechnen, wenn dem Widerspruchsverfahren eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, die nach der StBVV abzurechnen ist.

 

Beispiel 19: Hilfeleistung bei Abgabe einer Steuererklärung; anschließendes Einspruchsverfahren und nachfolgender Rechtsstreit

Der Anwalt fertigt für den Mandanten die Erbschaftssteuererklärung (Wert des Nachlasses: 150.000,00 EUR). Es ergeht ein Erbschaftssteuerbescheid über 4.000,00 EUR. Der Mandant beauftragt den Anwalt, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen und nach abschlägigem Bescheid Klage zu erheben.

Für die Abgabe der Steuererklärung gilt § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV.

Im Einspruchsverfahren fällt jetzt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV an. Darauf ist die 6/10-Gebühr des Besteuerungsverfahrens hälftig anzurechnen, und zwar gem. § 35 Abs. 2 S. 2 RVG nach dem Wert, der in das Einspruchsverfahren übergeht, also aus 4.000,00 EUR.

Im gerichtlichen Verfahren entsteht die 1,6-Verfahrensgebühr; darauf ist wiederum gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1, 3 VV die Geschäftsgebühr des Einspruchsverfahrens hälftig anzurechnen.

 
I. Steuererklärung
1. 6/10-Gebühr, § 35 RVG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 12 StBVV   1.118,40 EUR
  (Wert: 150.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.138,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   216,30 EUR
Gesamt   1.354,70 EUR
II. Einspruchsverfahren
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   417,00 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
2. gem. § 35 Abs. 2 RVG anzurechnen,   – 86,40 EUR
  3/10 aus 4.000,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 350,60 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   66,61 EUR
Gesamt   417,21 EUR
III. Gerichtliches Verfahren
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV   444,80 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1, 3 VV anzurechnen,   – 208,50 EUR
  0,75 aus 4.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV   333,60 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 589,90 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   112,08 EUR
Gesamt   701,28 EUR
 

Rz. 54

Möglich ist auch, dass vorgerichtlich mehrere Geschäftsgebühren nebeneinander angefallen sind. Dann sind alle Gebühren hälftig, jedoch höchstens zu 0,75 anzurechnen. Nach dem neu eingeführten § 15a Abs. 2 RVG darf nicht mehr angerechnet werden als ein Betrag nach dem höchsten anzurechnenden Gebührensatz aus dem Gesamtwert. Siehe dazu ausführlich § 8 Rdn 62.

 

Beispiel 20: Anrechnung bei mehreren Einspruchsverfahren, die in gemeinsame Klage münden

Gegen den Mandanten sind zwei getrennte Einkommenssteuerbescheide über 5.000,00 EUR (Veranlagungsjahr 2019) und über 8.000,00 EUR (Veranlagungsjahr 2020) ergangen. Der Anwalt hatte gegen beide Bescheide gesondert Einspruch eingelegt. Die Behörde entscheidet über die Einsprüche durch einen einheitlichen Bescheid. Hiergegen wird dann eine einheitliche Anfechtungsklage geführt.

Ungeachtet der gemeinsamen Einspruchsentscheidung erhält der Anwalt für jedes Einspruchsverfahren eine gesonderte Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV, wobei hier von der Mittelgebühr ausgegangen werden soll (siehe Rdn 29). Im gerichtlichen Verfahren entsteht dagegen nur eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV aus dem Gesamtwert (§ 39 Abs. 1 GKG) in Höhe von 13.000,00 EUR. Darauf sind jetzt gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV beide Geschäftsgebühren hälftig anzurechnen, gem. § 15a Abs. 2 RVG höchstens jedoch zu 0,75 aus dem Gesamtwert.

Abzurechnen ist wie folgt:

 
I. Ei...

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