Rz. 1142

Die Zustimmung des Integrationsamtes ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, der dem Arbeitgeber für einen Monat die Erlaubnis gibt, ein Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Menschen zu kündigen, § 171 Abs. 3 SGB IX. Die Kündigung ist erst erlaubt, wenn zuvor das Integrationsamt ihr zugestimmt hat. Die ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist gem. § 134 BGB nichtig.

 

Rz. 1143

Eine nachträgliche Zustimmung heilt eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung nicht. Die Zustimmung des Integrationsamtes steht einer Zustimmung durch die Widerspruchsbehörde oder das VG gleich. Auch diese lösen die Frist des § 171 Abs. 3 SGB IX aus.

 

Rz. 1144

Die Zustimmung des Integrationsamtes setzt einen entsprechenden schriftlichen Antrag des Arbeitgebers voraus. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des Betriebes oder der Dienststelle. Das Integrationsamt hat vor seiner Entscheidung den schwerbehinderten Menschen zu hören sowie eine Stellungnahme der zuständigen Arbeitsagentur, des Betriebs- oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung einzuholen, § 170 Abs. 1 und 2 SGB IX. Die Nichtbeachtung dieser Verfahrensvorschriften macht die Entscheidung des Integrationsamtes rechtsfehlerhaft.

 

Rz. 1145

Das Integrationsamt soll seine Entscheidung, falls erforderlich aufgrund einer mündlichen Verhandlung, innerhalb eines Monats vom Tag des Eingangs des Antrags an treffen. Die Entscheidung ist dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Arbeitnehmer zuzustellen, § 171 Abs. 1 und 2 SGB IX. Die Zustimmung nach § 171 Abs. 2 SGB IX ist dann erteilt, wenn die förmliche Zustellung des Bescheides an den Arbeitgeber erfolgt ist (BAG v. 16.10.1991 – 2 AZR 332/91, NZA 1992, 503; BAG v. 16.9.1993 – 2 AZR 267/93, NZA 1994, 311). Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem schwerbehinderten Menschen scheitert allerdings nicht daran, dass das Kündigungsschreiben vor der Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes abgesandt wurde, wenn es dem schwerbehinderten Menschen erst nach der Zustellung des Bescheids zuging (BAG v. 15.5.1997 – 2 AZR 43/96, EzA § 123 BGB Nr. 48).

 

Rz. 1146

Kündigt der Arbeitgeber nach formloser Bekanntgabe einer Zustimmungsentscheidung, so ist diese Kündigung gem. § 134 BGB nichtig.

 

Rz. 1147

Das Integrationsamt entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Ermessen ist aber nach § 172 SGB IX in drei Fallgestaltungen eingeschränkt:

Bei Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, ist die Zustimmung zu erteilen, wenn zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen;
bei Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl der verbleibenden Schwerbehinderten zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 71 Abs. 1 SGB IX ausreicht und i.Ü. zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Lohn und Gehalt gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen;
wenn ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz für den schwerbehinderten Menschen gesichert ist; die Frage der Zumutbarkeit und Angemessenheit ist gerichtlich voll nachprüfbar.
 

Rz. 1148

Die nach § 168 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung, erschöpft sich aber auch darin. Das Integrationsamt und ggf. der Widerspruchsausschuss haben Sonderkündigungsschutz zu gewähren, d.h. die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe sind gegen die Schutzinteressen des schwerbehinderten Arbeitnehmers abzuwägen. Dies schließt es aus, Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen, die erst nach der Kündigung eingetreten sind und nicht zu dem dieser Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalt gehören. Damit hat auch der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt bei der Überprüfung der von dem Integrationsamt erteilten Zustimmung zur inzwischen ausgesprochenen Kündigung eines schwerbehinderten Menschen die Sachlage im Zeitpunkt der Kündigung zu bewerten und nicht den Sachverhalt zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (BVerwG v. 7.3.1991 – 5 B 114.89, NZA 1991, 511).

 

Rz. 1149

I.R.d. Ermessensentscheidung bei der beantragten Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung und der anzustellenden Abwägung stellt die Gefahr weiterer Arbeitslosigkeit und eines drohenden sozialen Abstieges nur dann einen gewichtigen Belang des schwerbehinderten Menschen dar, wenn ihm ein über die allgemeine Belastung hinausgehendes Sonderopfer abverlangt wird (VGH Hessen v. 17.11.1992 – 9 UE 1765/89, NZA 1993, 946).

 

Rz. 1150

Mit der Zustellung an den Arbeitgeber beginnt auch die Frist des § 171 Abs. 3 SGB IX zu laufen. Dies gilt auch für den Fall, dass die Zustimmungsentscheidung dem schwerbehinderten Menschen bereits vorher zugestellt wurde (BAG v. 16.10.1991 – 2 AZR 332/91, NZA 1992, 503). Für die Fristberechnung gelt...

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