Rz. 1199

Um notwendige Kündigungen im Insolvenzverfahren jedoch zu beschleunigen, sieht § 113 Abs. 1 InsO eine gesetzliche Kündigungsfrist für das Dienstverhältnis vor. Diese Regelung geht als lex specialis anderen Kündigungsfristenregelungen vor. Dies gilt insb. für Fristenregelungen sowie Unkündbarkeitsvereinbarungen in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen. § 113 Abs. 1 InsO bestimmt, dass die Kündigungsfrist drei Monate zum Monatsende beträgt, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Darüber hinaus sollen Unkündbarkeitsvereinbarungen keine Wirkung mehr entfalten, denn der Insolvenzverwalter oder der Arbeitnehmer haben das Recht zur Kündigung ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechtes zur ordentlichen Kündigung. Dies gilt auch für Änderungskündigungen. § 113 InsO ist zwingend. Der Gesetzgeber hat es allerdings versäumt, § 22 KO ausdrücklich aufzuheben. Die Vorschrift hat aber aufgrund des § 113 InsO keinen eigenständigen Regelungsbereich und ist außerhalb des Geltungsbereiches der GesO obsolet.

 

Rz. 1200

Wichtig ist, dass § 113 InsO keinen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt. Der Konkurs als solcher stellt auch keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar. In der Insolvenz gilt der allgemeine und besondere Kündigungsschutz.

 

Rz. 1201

Dringende betriebliche Bedürfnisse liegen erst dann vor, wenn insolvenzspezifische Entscheidungen zu Rationalisierungen oder zur Stilllegung unrentabler Betriebe bzw. Betriebsabteilungen führen. Entschließt sich der Insolvenzverwalter, ernstlich und endgültig den Betrieb stillzulegen, und hat die Betriebsstilllegung bereits greifbare Formen angenommen, stellt dies einen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar.

 

Rz. 1202

Hinsichtlich tarifvertraglicher Unkündbarkeitsvereinbarungen gilt Folgendes: Tarifverträge enthalten gem. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG Rechtsnormen im materiellen Sinn. Dies hat zur Konsequenz, dass tariflich längere Kündigungsfristen als gesetzliche Kündigungsfristen i.S.d. § 22 Abs. 1 KO einzuordnen sind. Dies wird auch für § 9 Abs. 2 GesO angenommen (BAG v. 9.3.1995 – 2 AZR 484/94, DB 1995, 1469). Dieser Ausgangspunkt wurde von der Rspr. im Hinblick auf die tariflichen Unkündbarkeitsvereinbarungen ausgebaut, wenn sie die tariflichen Unkündbarkeitsvereinbarungen den tariflich verlängerten Kündigungsfristen in der Wirkungsweise gleichstellt (BAG v. 7.6.1984 – 2 AZR 602/82, DB 1985, 235). Tarifliche Unkündbarkeitsvereinbarungen werden auf der Grundlage dieser Sichtweise zu "unendlichen Kündigungsfristen" (Grunsky, Das Arbeitsverhältnis im Konkurs- und Vergleichsverfahren, S. 18).

 

Rz. 1203

Aufgrund der Neuregelung in § 113 Abs. 1 InsO ist davon auszugehen, dass nunmehr auch dann, wenn tariflich das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist, wegen § 113 Abs. 1 InsO ordentlich gekündigt werden kann (Preis, NJW 1996, 3369, 3377). Der hiermit verbundene Eingriff in die Tarifautonomie ist im Fall der Betriebsstilllegung – dies dürfte im Konkurs oft vorliegen – gerechtfertigt. Bei tariflich nicht kündbaren Arbeitnehmern ist nämlich anerkannt, dass im Fall der Betriebsstilllegung eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann. Allerdings ist dabei immer zu prüfen, ob nicht eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb des Unternehmens besteht. Im Fall der Kündigung ist aber dann eine Auslauffrist zu wahren. Dies ist die Kündigungsfrist, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre. Bei der Teilbetriebsstilllegung ist der tariflich ordentlich unkündbare Arbeitnehmer grds., sofern dies möglich ist, in eine andere Betriebsabteilung entsprechend den Wertungen des § 15 KSchG zu übernehmen

 

Rz. 1204

Kündigt der Verwalter, kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Konkursgläubiger Schadensersatz verlangen, § 113 Abs. 1 S. 3 InsO. Dies entspricht der bisherigen Regelungen des § 22 KO. Bei diesem Schadensersatzanspruch handelt es sich um eine einfache Konkursforderung i.S.d. alten § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO, wie durch die Wendung in § 113 Abs. 1 S. 3 InsO, der andere Teil kann "als Konkursgläubiger" Schadensersatz verlangen, deutlich wird.

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