Rz. 14

Bei Vorliegen der in Abs. 2 genannten Katalogtaten, besteht eine gesetzliche Vermutung, dass der Täter ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs ist. Konsequenz ist, dass eine umfangreiche Prüfung und Begründung der Entziehung der Fahrerlaubnis in den Urteilsgründen nicht erforderlich ist. Eine summarische Prüfung genügt.[14] Erforderlich ist aber gleichwohl, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen erkennen lässt, dass er sich der Regelbedeutung bewusst ist. Er muss zeigen, dass die indizielle Wirkung in Ausnahmefällen durchbrochen werden kann.[15]

Bei der Widerlegung der Regelvermutung, die der Verteidiger herausarbeiten sollte, kann zunächst auf die Ausführungen oben zu den jeweils genannten Delikten verwiesen werden. Diese gelten entsprechend und können im Einzelfall dazu führen, dass kein Regelfall vorliegt.

 

Rz. 15

Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten, die zur Widerlegung der Regelvermutung führen können. Die Ausnahmen werden vornehmlich in der Person des Täters zu finden sein, aber auch in den Umständen der Tat sowie in der Zeit zwischen Tat und Zeitpunkt der Entscheidung. Auch unbeanstandete Teilnahme am Straßenverkehr über einen längeren Zeitraum nach der Tat kann eine Ausnahme von der Regelvermutung sein.[16] Insgesamt sind an das Vorliegen von Ausnahmegründen allerdings strenge Anforderungen zu knüpfen,[17] was auch die tatsächliche Praxis mehr als deutlich zeigt.

 

Rz. 16

Muster 30.4: Keine Regelvermutung

 

Muster 30.4: Keine Regelvermutung

Ich bitte darum, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen. Mein Mandant ist zwar alkoholisiert mit dem Auto gefahren (BAK 1,11 ‰). Wie sich aus der Strafanzeige des Polizeibeamten ergibt, ist er jedoch nicht aufgrund seiner Fahrweise den Polizeibeamten aufgefallen. Vielmehr ist vermerkt, dass mein Mandant sehr umsichtig und langsam fuhr. Zudem handelt es sich um eine verkehrsberuhigte Straße, die (nachweislich) überwiegend von Anwohnern befahren wird. Mein Mandant fuhr lediglich eine kurze Strecke von wenigen Metern, genauer 20 m. Weiter wollte mein Mandant auch nicht fahren, sondern das Fahrzeug lediglich kurz umparken.

Dies rechtfertigt es im vorliegenden Fall trotz der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausnahmsweise von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen (vgl. hierzu auch LG Gera DAR 1999, 420; AG Regensburg zfs 1985, 123). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass mein Mandant kein Wiederholungstäter und noch nie im Straßenverkehr aufgefallen ist. Es sind daher keine übertrieben hohen Anforderungen an die Wiederlegung der Regelvermutung zu stellen (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 10.11.2015 – III 5RVs 125/15, 5 RVs 125/15 – juris).

 

Rz. 17

Muster 30.5: Keine Regelvermutung, MPU

 

Muster 30.5: Keine Regelvermutung, MPU

Die Verteidigung bittet darum, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen, wenngleich eine Straftat gem. § 315c StGB vorliegt.

Zwar ist die Tat eine Katalogtat gem. § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Gleichwohl besteht nach ständiger Rechtsprechung die Möglichkeit, die Regelvermutung zu widerlegen. Dies zeigt auch der Umstand, dass der Tatrichter trotz summarischer Prüfung in den Urteilsgründen erkennen lassen muss, dass er sich der Regelbedeutung bewusst ist. Er muss zeigen, dass die indizielle Wirkung in Ausnahmefällen durchbrochen werden kann (OLG Hamm zfs 1988, 124; Fischer, a.a.O. Rn 22).

Mein Mandant hat sich aus freien Stücken umgehend bei der Geschädigten entschuldigt. Er war ersichtlich über sein eigenes Verhalten erschrocken. Er befand sich in einer persönlichen Ausnahmesituation, da _________________________.

Um zu zeigen, dass es sich um eine absolute Ausnahmesituation gehandelt hat, die zur Widerlegung der Regelvermutung geeignet ist, hat mein Mandant freiwillig eine MPU durchführen lassen und diese bestanden. Das Gutachten überreiche ich. Es kommt zu dem Ergebnis, dass mit einem Rückfall nicht zu rechnen ist. Diese Umstände rechtfertigen es, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen (siehe hierzu AG Pinneberg SVR 2008, 471; auch LG Köln zfs 1982, 349).

[14] MüKoStVR/Kretschmer, StGB § 69 Rn 42 m.w.N.
[15] OLG Hamm zfs 1988, 124; Fischer, a.a.O. Rn 22.
[16] LG Dresden 1999, 122.
[17] Burmann, a.a.O. Rn 22.

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