Rz. 18

Für Berufungsverfahren in Schifffahrts- sowie in Rheinschifffahrtsachen sind folgende Zuständigkeitsgrundsätze zu beachten:

Die in der Praxis häufig gestellte Frage, bei welchem Gericht eine Berufung einzulegen ist, beantwortet sich in formaler Anknüpfung danach, welches Gericht in welcher Funktion die Entscheidung getroffen hat, die mit dem Rechtsmittel angefochten werden soll:

1. Hat erstinstanzlich ein Amtsgericht als "normales Amtsgericht" (also weder als Schifffahrtsgericht noch als Rheinschifffahrtsgericht) entschieden, ist das Landgericht zuständig für die Berufung.
2. Hat erstinstanzlich ein Amtsgericht als Schifffahrtsgericht entschieden (was sich bereits aus dem Rubrum ergeben sollte, manchmal aber auch erst aus den Gründen ersichtlich ist), so ist die Berufung an das Oberlandesgericht – Schifffahrtsobergericht – zu richten (auch dann, wenn z.B. der Rechtsmittelführer die Auffassung vertritt, dass es sich doch um eine Rheinschifffahrtssache handele).
3. Hat erstinstanzlich ein Amtsgericht als Rheinschifffahrtsgericht entschieden, so ist die Berufung an das Oberlandesgericht – Rheinschifffahrtsobergericht – zu richten. Das Rheinschifffahrtsobergericht ist also grundsätzlich nur dann Rechtsmittelinstanz, wenn das Urteil eines Rheinschifffahrtsgerichts mit der Berufung angefochten wird.[42] Zur Alternative, die Berufung bei der Berufungskammer der Zentralkommission in Straßburg einzulegen, siehe unten Rdn 21.
 

Rz. 19

In Fällen, in denen das Rechtsmittel irrig beim unzuständigen Gericht eingelegt oder ein Schriftsatz beim unzuständigen Gericht eingereicht wurde, gilt Folgendes:

Soweit eine Berufung bei dem Schifffahrtsobergericht und nicht bei dem zuständigen Rheinschifffahrtsobergericht des örtlich zuständigen Oberlandesgerichts (also Karlsruhe oder Köln) eingelegt wurde, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Denn mit dem rechtzeitigen Eingang von Berufung und Berufungsbegründung beim Oberlandesgericht sind die entsprechenden Schriftsätze zugleich sowohl in die Verfügungsgewalt[43] des beim Oberlandesgericht (Karlsruhe bzw. Köln) angesiedelten Schifffahrtsobergerichts sowie des Rheinschifffahrtsobergerichts gelangt, die jeweils keine besonderen Gerichte, sondern ordentliche Gerichte sind, die die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit im Rahmen einer besonders gearteten sachlichen Zuständigkeit, ähnlich wie bei der Verteilung zwischen Zivilkammern und Kammern für Handelssachen, ausüben.[44]
Wird eine beim Schifffahrtsobergericht einzureichende Berufungsbegründungsschrift irrtümlich an das Rheinschifffahrtsobergericht adressiert, aber mit dem richtigen Aktenzeichen des Schifffahrtsobergerichts versehen, so ist damit die Berufungsbegründungsfrist gewahrt.[45]
§ 13 BinSchVfG enthält eine besondere Regelung für fälschlich bei dem dem Schifffahrtsgericht (Amtsgericht) übergeordneten Landgericht eingelegte Rechtsmittel. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels wird durch diesen Fehler nicht berührt, vielmehr erfolgt in diesen Fällen die Abgabe von Amts wegen an das zuständige Oberlandesgericht.[46] Diese Vorschrift ist weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar auf den Fall, dass eine Berufung direkt beim Schifffahrtsgericht eingelegt wird. § 13 BinSchVfG ist eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. So hat der Bundesgerichtshof es auch abgelehnt, eine Berufung als zulässig zu erachten, die gegen ein Urteil des Schifffahrtsgerichts Bremen beim OLG Bremen anstatt beim (nach einem Länderabkommen) zuständigen Schifffahrtsobergericht Hamburg eingelegt worden war.[47]
 

Rz. 20

Die Fürsorgepflicht des Schifffahrtsgerichts kann es gebieten, dass dieses im normalen, ordnungsgemäßen Geschäftsgang den Rechtsmittelführer auf seinen Fehler hinweist bzw. die Berufungsschrift an das Berufungsgericht weiterleitet. Geschieht dies nicht, so kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sein.[48]

 

Rz. 21

Zu den Besonderheiten in Rheinschifffahrtssachen zählt, dass die in erster Instanz vor einem Rheinschifffahrtsgericht unterlegene Partei eine Wahlmöglichkeit hat, ob sie ihre Berufung bei der Berufungskammer der Zentralkommission (BK ZKR) anbringt (Art. 37 Abs. 1, 43 MA) oder ob sie die Berufung zu dem (örtlich zuständigen) Rheinschifffahrtsobergericht (Karlsruhe bzw. Köln) einlegt (Art. 37 Abs. 1, 38 Abs. 1 MA). Beide Rechtsmittel sind gleichwertig. Haben beide Parteien Berufung gegen ein Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts eingelegt, und zwar die eine bei der Berufungskammer der Zentralkommission und die andere beim Rheinschifffahrtsobergericht, so entscheidet das zuerst angerufene Gericht über beide Berufungen. Das als zweites angerufene Gericht hat den Rechtsstreit an das zuerst angerufene Gericht zu verweisen.[49]

 

Rz. 22

Die bei der Berufung über ein Grundurteil getroffene Wahl zwischen der Berufungskammer der Zentralkommission (BK ZKR) und dem nationalen Obergericht als Berufungsgericht wirkt nicht für die Berufung gegen das Schlussurteil im Höheverfahren.[50] Art. 37 Abs. 1 MA regelt nur den Fal...

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