Rz. 55

Grob fahrlässig handelt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und in ungewöhnlich hohem Maße dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.[18]

 

Rz. 56

Während der Maßstab der einfachen Fahrlässigkeit (§ 276 BGB) ausschließlich objektiv ist, sind bei der groben Fahrlässigkeit auch subjektive, in der Individualität des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen.[19] Es kommt somit auf die persönlichen Fähigkeiten und Geschicklichkeiten, auf die berufliche Stellung, die Lebenserfahrung und den Bildungsgrad des Versicherungsnehmers an.[20] Ein "Augenblicksversagen" allein entkräftet noch nicht den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.[21]

 

Beispiele

Es ist grob fahrlässig,

ein Kraftfahrzeug im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit zu führen,[22]
ein hofseitiges Fenster im Erdgeschoss während einer längeren Abwesenheit in Kippstellung offen zu lassen,[23]
eine Zufallsbekanntschaft allein in der Wohnung zu lassen,[24]
die Wohnung bei einer brennenden Kerze auch nur kurzfristig zu verlassen,[25]
wertvolles Reisegepäck – von außen sichtbar – im abgestellten Fahrzeug zurückzulassen.[26]
 

Rz. 57

Wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, "ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers zu kürzen" (§ 81 Abs. 2 VVG)."

 

Rz. 58

Die Quotelung erfolgt auf einer Skala von 0 bis 100.[27]

 

Beispiele

Bei alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ist der Kaskoversicherer berechtigt, seine Leistung um 75 % zu kürzen.[28]
Bei einem Rotlichtverstoß ist eine Kürzung um 50 % in jedem Fall angemessen.[29]
Wenn ein Versicherungsnehmer einer erkennbar stark alkoholisierten Person Fahrzeug und Fahrzeugschlüssel überlässt, ist eine Leistungskürzung von 75 % gerechtfertigt.[30]
Bei alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ist auch eine Kürzung auf Null zulässig.[31]
[18] Palandt/Grüneberg, § 277 BGB, Rn 5 m.w.N.
[19] Palandt/Grüneberg, § 277 BGB, Rn 5 m.w.N.
[20] Palandt/Grüneberg, § 277 BGB, Rn 5 m.w.N.; BGH, VersR 2003, 364.
[21] BGH, VersR 1992, 1085 = NJW 1992, 2418.
[22] BGH, r+s 2003, 144 = VersR 2003, 346; OLG Köln, r+s 1994, 329.
[23] OLG Celle, r+s 1994, 189.
[24] OLG München, VersR 1985, 558.
[25] OLG Hamm, r+s 1994, 184.
[26] OLG München, VersR 1989, 1258.
[27] Prölss/Martin/Prölss, § 81 VVG, Rn 27.
[28] LG Bonn, DAR 2010, 24; a.A. LG Tübingen, zfs 2010, 394 ("Null-Quote").
[29] LG Münster, VersR 2009, 1615.
[30] LG Bonn, r+s 2010, 320.
[31] BGH – IV ZR 225/10, zfs 2011, 511.

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