Rz. 72

Ausdrücklich sieht das Gesetz als Beendigungsgrund den Rücktritt vor (§§ 1298 ff. BGB). Der Rücktritt ist ein Gestaltungsrecht, das den Inhalt eines vertraglichen Verhältnisses in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis wandelt.[81] Er erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 130 BGB),[82] ist jederzeit und ohne Angabe eines Grundes möglich[83] und kann selbst von einem Minderjährigen wirksam erklärt werden.[84] Der Rücktritt muss nicht ausdrücklich, sondern kann, wie jede andere nicht formbedürftige Willenserklärung, durch schlüssiges Handeln, also konkludent erklärt werden.[85] Voraussetzung für den Rücktritt vom Verlöbnis ist also nicht, dass dem anderen wörtlich mitgeteilt wird, man trete vom Verlöbnis zurück. Es reicht aus, dies durch schlüssiges Verhalten zu tun. Die Auflösung des Verlöbnisses muss auch vorliegen, wenn ein Verlobter einseitig seinen Heiratswillen aufgibt, ohne dass der andere davon Kenntnis hat.[86] Denn ansonsten läge ein Verstoß gegen die in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Eheschließungsfreiheit vor. Die Rücktrittserklärung kann dem anderen durch einen Boten zugehen. Stellvertretung aber ist wegen der höchstpersönlichen Rechtsnatur des Verlöbnisses nicht möglich.[87]

[81] PWW/Stürner, Vor §§ 346 ff BGB Rn 1.
[82] BGH, Urt. v. 4.11.1954 – 4 StR 485/54, JurionRS 1954, 12114; Palandt/Brudermüller, § 1298 BGB Rn 1.
[83] Rauscher, Familienrecht, Rn 114.
[84] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1297 BGB Rn 4.
[85] BGH, Urt. v. 4.11.1954 – 4 StR 485/54, JurionRS 1954, 12114.
[87] FormB FA- FamR/Weismann, Kap. 10 Rn 8.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge