Rz. 29

Muster 3.6: Einstellungsantrag beim Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung

 

Muster 3.6: Einstellungsantrag beim Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung

_________________________ (Staatsanwaltschaft)

_________________________ (Anschrift)

Per Telefax: _________________________

In dem Ermittlungsverfahren gegen

_________________________ (Mandant)

Aktenzeichen: _________________________

danke ich für die gewährte Akteneinsicht und reiche anliegend die Vorgangsakte zu meiner Entlastung zurück. Nach Sichtung und Prüfung der amtlichen Ermittlungsakten wird zum Akteninhalt wie folgt Stellung genommen:

Der Mandant bestreitet dem ihm zur Last gelegten Tatvorwurf. Insbesondere sind Fahrfehler des anderen Unfallbeteiligten nicht auszuschließen. Tatneutrale Zeugen stehen insoweit nicht zur Verfügung. Auch muss das eigene wirtschaftliche Interesse des anderen Unfallbeteiligten im Hinblick auf eine zivilrechtliche Schadensabwicklung bei der Würdigung seiner Aussage besondere Berücksichtigung finden. Schließlich sind bislang keine ärztlichen Atteste zu etwaigen Gesundheitsbeeinträchtigungen zu den Ermittlungsakten gelangt.1

Der Mandant ist nicht vorbestraft und bislang nicht bußgeldrechtlich in Erscheinung getreten. Es wird deshalb angeregt,

das Verfahren gegen den Mandanten einzustellen. 2

Weiterer Sachvortrag bleibt vorbehalten.

(Rechtsanwalt)

 

Rz. 30

Erläuterung der Fußnoten in Muster 3.6

Fußnote 1

Um den Tatbestand der Körperverletzung nicht uferlos auszuweiten, ist nach allgemeiner Ansicht nicht jede Einwirkung auf die körperliche Unversehrtheit als tatbestandsmäßig anzusehen. Diese muss vielmehr nicht ganz unerheblich beeinträchtigt sein. Prellungen (BayObLG Beschl. v. 31.10.2001 – 2 St RR 150/01, DAR 2002, 38) oder bloße Hautrötungen (OLG Karlsruhe Beschl. v. 31.3.2005 – 1 Ss 4/05, DAR 2005, 350) sollen hierfür nicht ausreichen.

 

Rz. 31

Darüber hinaus kann ein Mitverschulden des Unfallgegners dann geeignet sein, die Vorhersehbarkeit eines Unfalls für den Beschuldigten einer fahrlässigen Körperverletzung auszuschließen, wenn es in einem gänzlich vernunftwidrigen oder außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Verhalten besteht, beispielsweise bei einem eigenen Rotlichtverstoß (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 20.8.2015 – 5 RVs 102/15, NStZ-RR 2016, 27).

Vergleichbar dürften die Fälle zu entscheiden sein, in denen Kraftfahrer mit Fußgängern kollidieren, die ohne Umschau schräg die Fahrbahn queren (vgl. OLG Bremen Urt. v. 22.12.1965 – 4 U 18/65). Hierbei soll eine grundsätzliche Verpflichtung des Kraftfahrers zur Mäßigung seiner (innerörtlich erlaubten) Geschwindigkeit selbst dann nicht bestehen, wenn ein Fußgänger parallel zur Fahrbahn neben einem Fußgängerüberweg geht (vgl. OLG Stuttgart Beschl. v. 30.5.2014 – 1 Ss 358/14, DAR 2014, 536; OLG Karlsruhe Beschl. v. 13.9.1991 – 1 Ss 111/91, NZV 1992, 330).

 

Rz. 32

Welche Anforderungen zur Annahme einer fahrlässigen Körperverletzung speziell im Straßenverkehr erfüllt sein müssen, veranschaulicht der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19.5.2016 (OLG Koblenz Beschl. v. 19.5.2016 – 2 OLG 4 Ss 158/15):

"Ferner tragen die zu Fall 2 getroffenen Feststellungen nicht die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB. Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 S. 1 StPO). Zur Darstellung einer Verkehrsstraftat gehört der gesamte Verkehrsvorgang mit allen Tatsachen, die das Verhalten des Angeklagten und die daraus entstandenen Folgen kennzeichnen (vgl. KK-StPO/Kuckein, § 267 Rn 9 m.w.N.)."

Die Ausführungen der Kammer beschränken sich im Kern auf die Feststellung, dass der Angeklagte beim Einfahren auf den Wirtschaftsweg nicht auf den dort herrschenden Verkehr achtete und demzufolge den von links kommenden Fahrradfahrer übersah und verletzte. Aus dieser knappen Schilderung wird schon nicht deutlich, worin die – aus konkreten Sondernormen abzuleitende – Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten zu sehen sein soll. Diese könnte sich etwa daraus ergeben, dass er die Vorfahrt des – immerhin von links kommenden – Fahrradfahrers missachtete oder zu schnell fuhr, was nähere Feststellungen zur Unfallstelle sowie zum Fahrverhalten des Angeklagten und des Unfallgegners voraussetzt. In Verkehrsstrafsachen setzt der Vorwurf der Pflichtwidrigkeit zudem in besonderer Weise voraus, dass festgestellt wird, wie der Angeklagte sich hätte verkehrsgerecht verhalten können und müssen; hierzu fehlen ebenfalls jegliche Feststellungen. Auch die Frage des Ursachenzusammenhangs ist in Verkehrsstrafsachen von besonderer Bedeutung und erfordert eine sorgfältige Prüfung. Als ursächlich für einen schädlichen Erfolg darf ein verkehrswidriges Verhalten nämlich nur dann angenommen werden, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass es bei verkehrsgerechtem Verhalten nicht zu dem Erfolg gekommen wäre, wobei die Prüfung der Ursächlichkeit eines ...

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