Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 28 Ns 167/14)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der Nebenklage, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Essen-Steele hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat das Amtsgericht dem Angeklagten für die Dauer von 3 Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeglicher Art zu führen.

Auf die gegen seine Verurteilung gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen das amtsgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit Bewährung verurteilt worden ist. Auch das Landgericht hat dem Angeklagten für die Dauer von 3 Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Das Landgericht hat in der Sache folgende Feststellungen getroffen:

"Am Morgen des ####2012 befuhr der Angeklagte gegen 11:00 Uhr die I-Straße aus I2 kommend in Richtung Bundesautobahn A ## mit seinem Transporter C, amtliches Kennzeichen #########. Er näherte sich der nach allen Seiten gut einsehbaren, beampelten Kreuzung I-Straße/M-Straße, welche er geradeaus überqueren wollte. Für den Angeklagten galt eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Er fuhr mindestens 65 km/h.

Gleichzeitig näherte sich der Zeuge X aus Sicht des Angeklagten von links kommend mit seinem Pkw D, amtliches Kennzeichen ########, von der Autobahnabfahrt der A ## aus Richtung Bochum kommend der Kreuzung, welche er ebenfalls aus seiner Sicht geradeaus überqueren wollte. Beifahrer des Zeugen X war X2. Auch für den Zeugen X galt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Der Zeuge X fuhr etwa 30 km/h.

Der sich der Kreuzung nähernde Angeklagte nahm den ebenfalls auf die Kreuzung zu fahrenden D wahr. Er ging davon aus, dass dieser an der Kreuzung halten werde.

Beide Fahrzeugführer überfuhren jedoch mit nur ganz geringem zeitlichem Abstand die jeweils für sie geltende Haltelinie an der Kreuzung. Welcher der beiden Fahrzeugführer dabei einen Rotlichtverstoß beging, lässt sich nicht klären. Die Kammer geht zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass der Zeuge X über rot fuhr. Dabei war angesichts der guten Einsehbarkeit der Kreuzung und der fehlenden Einstauchung des D mangels Abbremsens kurz vor dem Überfahren der Haltelinie erkennbar, dass der Zeuge X in die Kreuzung einfahren würde.

Der Angeklagte nahm den D erst wieder wahr, als sich beide Wagen auf der Kreuzung befanden. Er bremste den Transporter ab, konnte aber eine Kollision der Fahrzeuge nicht mehr verhindern. Der Transporter traf mit großer Wucht auf die rechte Fahrzeugseite des Ds. Der Transporter wurde um 90° nach rechts verdreht und kam auf einer Mittelinsel zum Stehen. Der D wurde seitlich nach links ausgelenkt und kam auf einem Randstreifen zum Stehen.

Wäre der Angeklagte zu dem Zeitpunkt, in dem der Zeuge X die Haltelinie überfuhr und zugleich er - der Angeklagte - spätestens hätte bremsen müssen, um die Kollision zu vermeiden, nicht schneller als 50 km/h gefahren, wäre er 0,7 Sekunden später am Kollisionsort angekommen. Der D wäre in diesem Fall bereits 6 m weiter über die Kreuzung gefahren gewesen, so dass es zu keiner Berührung der Wagen gekommen wäre.

X2 wurde durch den Unfall schwer verletzt. Er starb am 17.5.2012 an den Unfallfolgen.

Der Zeuge X erlitt Verletzungen im Brust- und Nackenbereich. Er befand sich kurzzeitig im Krankenhaus und wurde sodann von seinem Hausarzt weiterbehandelt."

Das Landgericht hat die Feststellungen zum Unfallgeschehen auf der Grundlage der Einlassung des Angeklagten, der Aussagen zweier Unfallzeugen sowie den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dipl.-Ing. T in T2 getroffen. Der Zeuge X hatte sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO berufen. Die Kammer hat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem verkehrswidrigen Verhalten des Angeklagten (Geschwindigkeitsüberschreitung) und dem Unfall angenommen und hierauf aufbauend eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung angenommen. Der Angeklagte sei als Kraftfahrer auch dann strafrechtlich verantwortlich, wenn allein durch die Beachtung der Geschwindigkeitsbegrenzung im Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Situation der Unfall vermieden worden wäre. Der Unfall sei auch nicht unvorhersehbar gewesen. Zwar sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Mitverschulden geeignet sei, die Vorhersehbarkeit des Unfalls für den Täter auszuschließen, wenn es in einem gänzlich vernunftwidrigen Verhalten bestünde. Ein Rotlichtverstoß eines anderen Verkehrsteilnehmers sei jedoch kein gänzlich vernunftwidriges Verhalten.

Der Angeklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt und diese unter nähere...

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