Rz. 9

Vor der Halbteilung ist jedoch der Erwerbstätigenbonus abzuziehen.

 

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 18

Bei der Bedarfsbemessung nach der Quotenmethode ist nach ständiger bisheriger Senatsrechtsprechung ein Erwerbsanreiz sowohl beim Unterhaltspflichtigen als auch beim Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen. Danach widerspricht es dem Halbteilungsgrundsatz nicht, zugunsten eines erwerbstätigen Beteiligten von einer strikt hälftigen Aufteilung in maßvoller Weise abzuweichen, um den mit einer Berufsausübung verbundenen höheren Aufwand zu berücksichtigen und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen.

 

BGH, Urt. v. 10.11.2010 – XII ZR 197/08

Es widerspricht dem Halbteilungsgrundsatz nicht, zugunsten des erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten von einer strikt hälftigen Aufteilung in maßvoller Weise abzuweichen, um den mit einer Berufsausübung verbundenen höheren Aufwand zu berücksichtigen und zugleich einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen (vgl. Urt. v. 16.4.1997 – XII ZR 233/95, FamRZ 1998, 806, 807; Urt. v. 16.12.1987 – IVb ZR 102/86, FamRZ 1988, 265, 267 jeweils m.w.N.).

Beziehen beide Ehegatten Erwerbseinkünfte, so kommt der Erwerbsanreiz aber auch dem Unterhaltsberechtigten zugute (Urt. v. 26.9.1990 – XII ZR 45/89, FamRZ 1991, 304, 305 m.w.N.). Das wird rechnerisch dadurch umgesetzt, dass bei beiderseitigem Erwerbseinkommen im Wege der Differenzmethode der Bedarf nach einer einheitlichen Quote (etwa 3/7 nach der Düsseldorfer Tabelle oder 45 % nach den Süddeutschen Leitlinien) ermittelt wird. Dass dem Unterhaltsberechtigten ebenfalls ein Erwerbsbonus zugebilligt wird, lässt sich aus dem Halbteilungsgrundsatz und der diesem zugrunde liegenden gleichen Teilhabe von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem rechtfertigen.

 

Hinweis

Der Bonus, ein Arbeits- bzw. Erwerbsanreiz, darf nicht mit den pauschalen berufsbedingten Aufwendungen verwechselt werden. Letztere sind Teil der "Bereinigung" des Einkommens, also Teil der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens. Die Einkommensbeträge in den Fallbeispielen sind stets das schon bereinigte Nettoeinkommen. Etwaige (pauschale oder konkrete) berufsbedingte Aufwendungen sind also schon berücksichtigt.

Der Erwerbsanreiz ist natürlich nur von Erwerbseinkünften abzuziehen, und nicht beispielsweise von Einkünften aus Kapitalvermögen, aus Vermietung, aus Altersversorgungen oder Einkünften in Form eines Wohnvorteils.[3]

 

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 18

Ist ein Beteiligter nicht erwerbstätig, entfällt der Gesichtspunkt eines Erwerbsanreizes als Rechtfertigung für die Minderung der Unterhaltsquote des Berechtigten. Nichts Anderes gilt, wenn er auf längere Zeit aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und Krankengeld bezieht (Senatsurteil vom 19.11.2008 – XII ZR 129/06, FamRZ 2009, 307 Rn 15 m.w.N.).

Der Erwerbsanreiz kommt auch dem Unterhalsberechtigten zugute.

 

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 18

Dass dem Unterhaltsberechtigten ebenfalls ein Erwerbstätigenbonus von seinem Einkommen zugebilligt wird, ist durch den Halbteilungsgrundsatz und der, diesem zugrundeliegenden gleichen Teilhabe von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem gerechtfertigt (vgl. Senatsurteil vom 10.11.2010 – XII ZR 197/08, FamRZ 2011, 192 Rn 25 m.w.N.).

 

Rz. 10

Die SüdL beispielsweise gewähren einen Erwerbstätigenbonus in Höhe von 10 %.

 

SüdL

Ehegattenunterhalt

15. Unterhaltsbedarf

15.1 (…)

15.2 Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 90 % zu berücksichtigen sind (Abzug von 1/10 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Nettoeinkommen bei der Bedarfsermittlung, nicht bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners).

(…)

15.3 Bei sehr guten Einkommensverhältnissen des Pflichtigen kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht

 

Rz. 11

Andere Leitlinien gewährten bis 1.1.2022 einen Erwerbstätigenbonus von 1/7, als ca. 14 %.

 

Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm

15.2 Halbteilung, Erwerbstätigenbonus und Berechnungsmethoden

15.2.1 Es gilt der Halbteilungsgrundsatz, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 6/7 zu berücksichtigen sind (Abzug von 1/7 Erwerbstätigenbonus vom bereinigten Einkommen).

Vgl. auch Nr. 15.2 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien.

Mit Wirkung ab 1.1.2022 wenden alle Oberlandesgerichte den Erwerbstätigenbonus von 10 % an.

 

Rz. 12

Angestoßen wurde die bundeseinheitliche Vorgehensweise mit einem Erwerbstätigen­bonus von 10 % vom BGH.

 

BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – XII ZB 3/19 Rn 20 ff.

Allerdings wird die Berechtigung eines Erwerbstätigenbonus inzwischen vereinzelt in Frage gestellt.

Diese Kritik ist nicht geeignet, die – in eigener Verantwortung des Tatrichters erfolgende (vgl. Senatsbeschluss vom 8.9.2004 – XII ZB 92/03, FamRZ 2004, 1867, 1868) – Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus grundsätzlich in Zweifel zu ziehen.

Allerdings ist zutreffend, dass der Erwerbstätigenbonus insoweit seine Berechtigung verliert, als die mit der Berufsausübung verbundenen höheren Aufwendungen entw...

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