Rz. 201

Das Gewaltschutzgesetz gibt dem Gericht die Möglichkeit, eine Reihe von Schutzanordnungen zu treffen.

 

Praxistipp:

Die Auswahl einzelner Unterlassungsverpflichtungen ist nur von deren Geeignetheit und Erforderlich zur Abwehr einer Gefährdung der geschützten Rechtsgüter abhängig.
Sie setzt dagegen nicht voraus, dass eine Wiederholungs- oder Begehungsgefahr gerade hinsichtlich der untersagten Verhaltungsweise festgestellt ist.[267]
Bei seiner Entscheidung ist das Gericht nicht an den Antrag gebunden.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten.[268]
Da ein Anordnungsverfahren grundsätzlich die Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, ist die einstweilige Anordnung in Verfahren nach §§ 1 und 2 GewSchG zu befristen.[269]
Die Frist kann gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, 2. HS GewSchG verlängert werden.

In erster Linie kommen folgende Maßnahmen in Betracht:

1. Betretungsverbot

Das Verbot, die Wohnung der verletzten Person zu betreten, kann isoliert ergehen, wird aber häufig im Zusammenhang mit einer Überlassungsanordnung nach § 2 GewSchG verhängt.[270]

2. Näherungsverbot

Ein Verbot, sich in einem bestimmten Umkreis um die Wohnung des Opfers aufzuhalten ("Bannmeile"), soll die notwendige Distanz zwischen Opfer und Täter sichergestellt und weiteren Rechtsverletzungen vorgebeugt werden.[271]

 

Praxistipp:

Der Umkreis des zu meidenden Bereichs ist genau zu bestimmen. Unzulässig ist daher die Anordnung, der Störer habe sich "von der Wohnung" eines Antragstellers fernzuhalten.[272]
Die genaue Distanz der "Bannmeile" richtet sich nach den jeweiligen Verhältnissen.[273]

Notwendig ist die genaue Angabe der Distanz in Metern. In der Rechtsprechung hat sich ein Mindestabstand von 200 Metern durchgesetzt.[274]

3. Erweitertes Näherungsverbot

Dem Täter kann auch verboten werden, bestimmte Orte aufzusuchen, an denen sich das Opfer regelmäßig aufhält. Dazu gehören

die Arbeitsstelle der verletzten Person
der Kindergarten oder die Schule, die ihr Kind besucht, das von ihr dort hingebracht oder abgeholt wird
die Wohnung eines neuen Partners oder von Verwandten
öffentlich zugängliche Einrichtungen, wie Restaurants, Sport- und Freizeiteinrichtungen – hier sind zeitliche Einschränkungen geboten.

4. Kontaktverbot

Angeordnet werden kann auch ein Verbot, mit der verletzten Person in Verbindung zu treten. Dies kann sich auf jede Form der Kommunikation beziehen und auch Fernkommunikationsmittel, also Briefe, Telefaxe, Anrufe, SMS, E-Mails oder Kommunikationsforen im Internet umfassen.

5. Verbot, Zusammentreffen herbeizuführen

Das Verbot verhindert Versuche, an Orten, die von einem Näherungsverbot nicht erfasst sind, mit dem Opfer nicht in Kontakt zu treten. Es sollte auch eine Regelung für zufällige Zusammentreffen getroffen werden, z.B. dass der Täter in diesem Fall sogleich einen bestimmten Abstand zum Opfer herzustellen und einzuhalten hat.

6. Allgemeines Belästigungsverbot

Es kann ein allgemeines Belästigungsverbot ausgesprochen werden. Die in § 1 Abs. 2 Nr. 2b GewSchG genannten Formen "wiederholtes Nachstellen" oder "Verfolgung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" sind nicht abschließende Beispiele. Häufige Anrufe in kurzer Zeit gegen den erklärten Willen des Angerufenen verstoßen gegen die Anordnung "nicht zu belästigen", auch wenn die Belästigungsart "Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" nicht ausdrücklich genannt ist. Anders als bei einem ausdrücklich angeordneten Kontaktverbot ist der belästigende Charakter nach den Umständen des Einzelfalls festzustellen.[275]

OLG Brandenburg v. 29.12.2020 – 13 UF 162/20[276]

Zitat

1. Das in das Gewaltschutzrecht aufgenommene Tatbestandsmerkmal der unzumutbaren Belästigung weist eher als die Beharrlichkeit auf die Beziehung des Täters zum schutzsuchenden Gegenüber hin und auf die Wechselwirkung des beiderseitigen Verhaltens. Das wird zusätzlich betont durch den Ausschluss der unzumutbaren Belästigung, wenn die nachstellenden und verfolgenden Handlungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen. Der Bestand gewisser Rechtsbeziehungen kann dem Verhalten den Makel der unzumutbaren Belästigung nehmen und den Anspruch auf eine Gewaltschutzanordnung ausschließen.

2. Auch nur wenige Mitteilungen können das Maß des Zumutbaren verlassen, wenn sie unsachlich, beschimpfend oder im Verhältnis zum Mitteilungsgegenstand unangemessen ausfallen oder wenn sie den Empfänger mit Rücksicht auf dessen dem Absender bekannte Empfindlichkeit übermäßig beanspruchen. Unzumutbar sind Mitteilungen, die unabhängig von ihrem Gegenstand und Inhalt stets in forderndem, dominantem, beherrschendem Ton abgefasst sind, obwohl der Absender weiß, dass der Empfänger darauf nur hilflos, eingeschüchtert und verängstigt reagieren kann.

[268] BGH FamRZ2014, 825: möglich auch die Verpflichtung des Täters zur Aufgabe seiner (von ihm und dem Opfer nicht gemeinsam) genutzten Wohnung.
[270] OLG Köln FamRZ 2003, 319.
[271...

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