Rz. 24

Der Vermögenszuwachs aufgrund einer Vermächtniserfüllung gilt gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen. Dies trifft auch auf das "Supervermächtnis" zu, bei dem der Empfänger des Vermächtnisses wirtschaftlich aus den Vermögen des erstversterbenden Ehegatten bereichert wird. Folglich ermöglicht das "Supervermächtnis" dem Leistungsempfänger seinen erbschaftsteuerlichen Freibetrag nach dem erstversterbenden Ehegatten auszunutzen. Das "Supervermächtnis" fällt nicht unter § 6 Abs. 4 ErbStG.[20] Dies soll zumindest dann gelten, wenn der länger lebende Ehegatte das Vermächtnis noch zu seinen Lebzeiten erfüllt und die Fälligkeit des Vermächtnisses nicht bis zum Ableben des zweitversterbenden Ehegatten hinausgeschoben wird (§ 2181 BGB).[21] Im Rahmen der Beratung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass diese Auffassung in der Rechtsprechung noch nicht abgesichert ist. Zu bedenken ist ferner, dass die Vermächtnisse bei dem länger lebenden Ehegatten erst dann als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden können, wenn sie auch tatsächlich erfüllt sind.

 

Rz. 25

Wird das "Supervermächtnis" als Geldvermächtnis ausgestaltet, so ergeben sich erbschaftsteuerliche Nachteile, auf die im Rahmen der Beratung hinzuweisen ist:

Ist der Geldbetrag bis zur Fälligkeit des Vermächtnisses zu verzinsen, sind die Zinseneinkünfte im Jahr ihres Zuflusses (§ 11 EStG) der Einkommensteuer unterworfen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG).
Ist das Geldvermächtnis unverzinslich gestaltet, führt dies aber zur Anwendung der sog. "Aufteilungsrechtsprechung" des BFH.[22] Demnach wird eine unverzinsliche Kapitalforderung von mehr als einem Jahr Laufzeit in zwei Teilbeträge aufgeteilt. In einen ertragsteuerlich unbeachtlichen Kapitalwert und einen Ertragsanteil. Der Ertragsanteil wird als fiktives Entgelt dafür gesehen, dass dem Zahlungspflichtigen während der Stundung die Kapitalnutzung überlassen wird. Der Zinssatz beträgt 5,5 % per anno (§ 12 BewG).[23] Der fiktive Zinsanteil ist beim Erbfall als Einkommen zu versteuern, nur der fiktive Kapitalwert unterliegt nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG der Erbschaftsteuer.

Um dem Anwendungsbereich der Aufteilungsrechtsprechung zu entrinnen, kann der Erblasser anordnen, dass sich das Geldvermächtnis automatisch in ein Wahlverschaffungsvermächtnis nach § 2154 Abs. 1 BGB umwandelt, falls es nicht innerhalb eines Jahres nach dem Erbfall erfüllt worden ist.[24] Allerdings ist beim "Supervermächtnis" zu berücksichtigen, dass der Umfang der geschuldeten Leistung bis zur Festsetzung durch den Beschwerten noch gänzlich unbekannt ist. Folglich ist der Vermächtnisnehmer nicht in der Lage, einen gleichwertigen Gegenstand zu verlangen. Eine Möglichkeit die "Aufteilungsrechtsprechung" zu umschiffen wäre deshalb ein Sachvermächtnis auszusetzen mit gleichzeitiger Befugnis des länger lebenden Ehegatten anstelle der geschuldeten Gegenstände einen gleichwertigen Geldbetrag zu leisten.

Van Oertzen und Lindermann haben sich mit dem Gestaltungsinstrument "Supervermächtnis" detailliert auseinandergesetzt.[25]

 

Formulierungsbeispiel

Nach dem Tod des Erstversterbenden erhalten unsere Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge, von uns zur Ausnutzung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge ein Vermächtnis nach §§ 2151, 2153, 2156 und 2181 BGB. Der überlebende Ehegatte kann unter Berücksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses bestimmen:

den Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses,
die Bedingungen der Vermächtniserfüllung,
den Gegenstand der Vermächtniserfüllung,
den Anteil am Vermächtnis.

Sollte der überlebende Ehegatte hierzu nicht mehr in der Lage sein, ordne ich Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker berufe ich (…). Sollte sie das Amt ablehnen, soll der Vorstand des Netzwerks Deutscher Testamentsvollstrecker, ersatzweise das Nachlassgericht, einen anderen Testamentsvollstrecker benennen. Sollte es zu einer solchen Bestimmung kommen, erhält der Testamentsvollstrecker eine Vergütung nach der Möhring’schen Tabelle zzgl. MwSt.

[20] Ebeling, ZEV 2000, 87, 89 f.
[21] DNotI-Report 2010, 3.
[22] BFH BStBl 1984 II, S. 550; BFH ZEV 1997, 84.
[23] BFH ZEV 1997, 84.
[24] Näheres hierzu siehe Braun, Nachlassplanung bei Problemkindern, Rn 134.
[25] Van Oertzen/Lindermann, ZEV 2020, 144.

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