Rz. 9

Ein weiterer Gesichtspunkt des Krisenmanagements vor dem Schadenfall, der zu bedenken ist, sollte der Abschluss einer Haftungsbeschränkungsvereinbarung sein. Denn nicht immer lässt sich eine Haftungsbeschränkung durch Rechtsformwahl so schnell realisieren, dass ein bestimmtes Mandat angenommen und abgearbeitet werden kann.

 

Rz. 10

Und auch Partnerschaft oder GmbH, um nur einige vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassene Kooperationsmodelle für Rechtsanwälte zu nennen, bieten nicht immer lückenlosen Schutz vor einer persönlichen Haftung der in diesen Organisationen tätigen Rechtsanwälte.

 

Rz. 11

Das Bedürfnis der Haftungsbeschränkungsvereinbarung ist für die Angehörigen der steuer-, wirtschafts- und rechtsberatenden Berufe aufgrund der bisweilen existenzbedrohenden Haftungsrisiken, welche der Ausübung dieser Professionen anhaften, anerkannt und für Anwälte auch in § 52 BRAO geregelt. § 52 BRAO sieht drei Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung vor, und zwar

für fahrlässiges Fehlverhalten bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme durch schriftliche Einzelfallvereinbarung (§ 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO);
für einfach fahrlässiges Fehlverhalten bis zum vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme durch vorformulierte Vertragsbedingungen (§ 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BRAO);
für die persönliche Mithaftung in Sozietäten auf einzelne Mitglieder einer Sozietät, die das Mandat im Rahmen ihrer eigenen beruflichen Befugnisse bearbeiten und namentlich bezeichnet sind (§ 52 Abs. 2 BRAO).

Zu beachten ist aber, dass insbesondere die letzten beiden Alternativen nur eine Scheinsicherheit für Anwälte bieten und eine Vereinbarung nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO besonders sorgfältiges Arbeiten des Anwalts erfordert, damit seine Haftung auch wirklich begrenzt ist.

 

Rz. 12

Bei der Parallelbestimmung des § 8 Abs. 2 PartGG zu § 52 Abs. 2 BRAO offenbarte die dazu ergangene Rechtsprechung des BGH, dass eine Limitierung der Haftung auf sachbearbeitende Anwälte eine kaum praktikable Abgrenzung liefert. Erst recht bestehen bei Vereinbarungen nach § 52 Abs. 2 BRAO Risiken, weil dort – anders als bei § 8 Abs. 2 PartGG – keine Eingrenzung auf Bearbeitungsbeiträge von untergeordneter Bedeutung enthalten ist.[2]

 

Rz. 13

Daneben ist umstritten, ob bei Scheinsozietäten nach § 52 Abs. 2 BRAO eine Haftungsbegrenzung herbeigeführt werden kann. Da es sich bei Scheinsozietäten um ein rechtliches Nullum handelt und § 52 BRAO insgesamt als eng auszulegende Ausnahmebestimmung anzusehen ist, wird man dies wohl richtigerweise verneinen müssen.[3]

 

Rz. 14

Von der Rechtsprechung nicht geklärt ist, wie sich Bearbeiterwechsel auswirken. Soweit ersichtlich, wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass dies zur Unwirksamkeit einer entsprechenden Haftungsbegrenzungsvereinbarung führt, entweder weil eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken des Rechts im Sinne von § 307 BGB vorläge oder der Vertrag ergänzend dahingehend auszulegen sei, dass er unter der auflösenden Bedingung eingegangen wurde, dass nur die nämlichen Sachbearbeiter das Mandat abwickeln.[4]

 

Rz. 15

Die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit des § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BRAO disqualifiziert sich für die anwaltliche Berufspraxis, indem die Vorschrift – und dies nach Aufbau, Wortlaut und Gesetzessystematik auch noch verdeckt, zumindest aber irreführend – sich nur auf "einfach" fahrlässiges Fehlverhalten bezieht, während die Parallelbestimmungen für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer eine solche Einschränkung nicht enthalten, vgl. § 67a Abs. 1 StBerG, § 54a Abs. 1 WPO.

 

Rz. 16

Denn der Begriff der einfachen Fahrlässigkeit ist weder gesetzlich definiert noch in Rechtsprechung und Schrifttum auch nur annähernd in einer Weise geklärt worden, die Rechtssicherheit verschaffen könnte. So insinuiert denn auch Mennemeyer insoweit nur über den Begriff der groben Fahrlässigkeit und damit letztlich am Thema vorbei,[5] weil es um die Abgrenzung einfacher Fahrlässigkeit auf der einen Seite, von der mittleren und der groben Fahrlässigkeit auf der anderen Seite geht.

 

Rz. 17

 

Praxistipp

Da man sich im Fall einer existenzbedrohenden, den Bereich der versicherten Risiken verlassenden Regressnahme und Haftung nicht auf ein Auffangnetz verlassen kann und will, dessen Belastbarkeit von den Zufälligkeiten aleatorischer und arbiträrer Gerichtsentscheidungen zur Bewertung dessen, was noch bzw. nicht mehr einfach fahrlässig sei, abhängt, kann von einer Haftungsbegrenzung gem. § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BRAO nur abgeraten werden bzw. zur Individualvereinbarung geraten werden.[6]

 

Rz. 18

Nicht ganz so kritisch wie der Regelungen in § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BRAO und § 52 Abs. 2 BRAO wird man die Möglichkeiten zur Haftungsbegrenzung nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO durch schriftliche Einzelfallvereinbarung anzusehen haben. Denn eine schriftliche Vereinbarung löst die Folge des § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO noch nicht aus:

 

Rz. 19

Vielmehr muss die Haftungsbegrenzung individuell ausgehandelt sein, sodass die einseitige Stellung von Bedingungen ni...

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