Rz. 131

Erbrechtliche Nachfolge und Gesellschaftsrecht verhalten sich wie Wasser und Öl. Schon im nationalen Bereich ergeben sich hier schwer überbrückbare Widersprüche. Im kollisionsrechtlichen Bereich bereitet die Zuordnung der zwischen Erb- und Gesellschaftsrecht vermittelnden Lösungsmechanismen besondere Unsicherheiten und Zweifel bei der Qualifikation.

 

Rz. 132

Der Ausgangspunkt ist grundsätzlich derselbe wie beim Verhältnis von Sachen- und Erbstatut (siehe Rdn 107 ff.): Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. h EuErbVO sind Fragen des Gesellschaftsrechts, des Vereinsrechts und des Rechts der juristischen Personen, wie Klauseln im Errichtungsakt oder in der Satzung einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person, die das Schicksal der Anteile verstorbener Gesellschafter beziehungsweise Mitglieder regeln, vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgenommen. Das Gleiche gilt gem. Art. 1 Abs. 2 lit. h EuErbVO für die Auflösung, das Erlöschen und die Verschmelzung von Gesellschaften, Vereinen oder juristischen Personen. Vielmehr bestimmt das für die Beteiligung des Erblassers maßgebliche Gesellschaftsstatut,[137] was überhaupt in den Nachlass fällt und damit zur Verteilung anstehen kann bzw. welche Rechte daran begründet werden können. Aus dem Erbstatut ergibt sich dagegen, wem in den Nachlass gefallene Rechte in welchem Umfang zustehen bzw. gebühren (siehe Rdn 1). Des Weiteren ist dem Gesellschaftsstatut zu entnehmen, welche Auswirkungen der Tod des Gesellschafters im Übrigen auf die Gesellschaft hat.

 

Rz. 133

Dem Gesellschaftsstatut sind danach folgende Fragen zuzuordnen:[138]

Die Frage, welche Auswirkungen der Tod des Gesellschafters auf die Existenz der Gesellschaft hat. Das betrifft dann die Frage, ob das Ausscheiden des Erblassers ipso iure das Erlöschen der Gesellschaft zur Folge hat (wie z.B. bei einer Zwei-Personen-Gesellschaft des deutschen Rechts mit Fortsetzungsklausel), ob die Gesellschaft automatisch in das Liquidationsstadium übergeht – mit oder ohne Beteiligung der Erben des Verstorbenen – oder ob ein Fortbestand der Gesellschaft ohne jede weitere Auswirkungen vorgesehen ist (wie z.B. bei einer Aktiengesellschaft oder einer nicht personalistisch strukturierten GmbH);
die Frage, ob die dem Erblasser zustehende Beteiligung an der Gesellschaft vererblich ist oder dem Gesellschafter mit seinem Versterben verloren geht und z.B. eine automatische Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaftern erfolgt (so z.B. bei einer société civile des französischen Rechts);
welche Eigenschaften ein Erbe haben muss, um aufgrund der Erbfolge in den Gesellschaftsanteil des Verstorbenen eintreten zu können;
ob die übrigen Gesellschafter nach dem Tod des Gesellschafters die Einziehung des Anteils beschließen können oder andere Sonderrechte gegen die Erben geltend machen können;
ob den aus der Gesellschaft ausgeschlossenen Erben eine Abfindung gegen die Gesellschaft oder Mitgesellschafter zusteht;
welche der Rechte, die dem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter nach dem Erbstatut zustehen, er auch bei der Verwaltung der Gesellschaftsanteile der Gesellschaft gegenüber wahrnehmen kann;
in welcher Weise die Erben an der Gesellschaft beteiligt beteiligt werden können, ob und auf welche Weise also die sich aus dem Erbstatut ergebende Berechtigung in Form einer gesamthänderisch gebundenen Erbengemeinschaft, über einen personal representative oder einen trust auch in Bezug auf die Gesellschaftsbeteiligung geltend gemacht werden kann;
ob der Tod des Gesellschafters ein Eintrittsrecht für einen Dritten begründet bzw. seinen Eintritt in den Anteil zur Folge hat;
die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel, vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. g EuErbVO;
ob die Gesellschaft mit dem Tod des Gesellschafters aufgelöst ist oder ohne Beeinträchtigung fortgesetzt wird;
ob und mit welchem Inhalt besondere dingliche Berechtigungen (z.B. Nießbrauch) am Gesellschaftsanteil zulässig sind.
 

Rz. 134

Dem Anwendungsbereich des Erbstatuts sind dagegen gem. Art. 23 EuErbVO folgende Fragen zuzuordnen:

So bestimmt Art. 23 Abs. 2 lit. b EuErbVO, dass die Berufung der Erben dem Erbstatut unterliegt. Das gilt dann z.B. für die Frage, welche Personen mit welcher Quote am Nachlass beteiligt sind.
Gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. e EuErbVO unterliegt auch der Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben dem Erbstatut. Entsprechend der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kubicka[139] gilt dies auch für die dinglichen Wirkungen eines Vermächtnisses, wenn dieses nach dem ausländischen Erbstatut unmittelbar verfügende dingliche Wirkungen hat (Vindikationslegat) (siehe dazu auch Rdn 110 ff.).
Das Erbstatut gilt ferner für die Frage, welche Rechte den Erben, Testamentsvollstreckern und den Nachlassverwaltern hinsichtlich der Verwaltung des Nachlasses zustehen, Art. 23 Abs. 2 lit. f EuErbVO.
Aus dem Erbstatut ergibt sich, ob ein Erwerb des Nachlasses durch die zur Erbfolge berufenen Personen von selbst eint...

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