1. Grundlagen

 

Rz. 2

Weil die Nutzung des Sondereigentums gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG unter Beachtung der für die Gemeinschaft geltenden Vereinbarungen erfolgen muss, ist insbesondere der Rahmen der Zweckbestimmung zu wahren. Ihre Zweckbestimmung wird den zum Sondereigentum gehörenden Räumen und Flächen in der Teilungserklärung bzw. in der Gemeinschaftsordnung zugewiesen.

 

Beispiele: Zweckbestimmung

a) Die Teilungserklärung begründet das Sondereigentum Nr. 5 an einer Wohnung (oder: an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen; oder: an einem Teileigentum; oder: an einem Laden usw.).

b) Die Gemeinschaftsordnung bestimmt: "In sämtlichen Wohnungen ist auch eine freiberufliche Tätigkeit zulässig."

c) Ein bestehendes Gebäude wird in Teileigentum aufgeteilt. Die Einheit Nr. 1 hat einen Miteigentumsanteil von 869/1.000, "verbunden mit dem Sondereigentum an sämtlichen im Kellergeschoss, im Erdgeschoss und im Obergeschoss gelegenen Räumen des Altenpflegeheims, sowie dem Speicherraum im Dachgeschoss". Die Bezeichnung als Altenpflegeheim beinhaltet nach neuerer Rechtsprechung des BGH keine (eindeutige) Zweckbestimmung, sondern eine bloße, rechtlich unbedeutende "Funktionsbeschreibung" der zum Zeitpunkt der Aufteilung ausgeübten Nutzung. Wenn aber unklar ist, ob die Teilungserklärung eine Zweckbestimmung enthält, gibt sie "im Zweifel" gar keine Einschränkung vor. In dieser Variante haben wir es also schlicht mit einem Teileigentum (ohne besondere Zweckbestimmung) zu tun.[1] Das kann eine böse Überraschung für die Gemeinschaft darstellen, weil ohne Zweckbestimmung prinzipiell jede – also auch eine störende – Nutzung zulässig ist (→ § 3 Rdn 10).

 

Rz. 3

Die Zweckbestimmung hat immer die Rechtsnatur einer den zulässigen Gebrauch des Sondereigentums regelnden Vereinbarung i.S.d. §§ 10 Abs. 3 S. 1, 19 Abs. 1 WEG, mithin keinen "sachenrechtlichen" Gehalt; das gilt auch dann, wenn sie im Zuge der sachenrechtlichen Begründung des Wohnungs- bzw. Teileigentums (so in der Variante a) des Beispiels) erfolgt.[2] Insbesondere hat die Zuordnung eines Sondereigentums zur Kategorie als Wohnungs- oder Teileigentum keinen "sachenrechtlichen" Gehalt. Sondereigentum muss zwar in der Teilungserklärung entweder als Wohnungs- oder als Teileigentum bezeichnet werden (§ 1 Abs. 2 bzw. Abs. 6 WEG), aber nur deshalb, weil der Gesetzgeber aus bestimmten, heute nicht mehr relevanten Gründen als Gegenstück zur "Wohnung" eine schlagwortartige Kurzbezeichnung für die "nicht Wohnzwecken dienenden Sondereigentumseinheiten" schaffen wollte: eben den Begriff "Teileigentum".[3] Inhaltlich ist die Trennung völlig überholt; leider hat die WEG-Reform 2020 daran nichts geändert. Weil die Zuordnung als Wohnungs- bzw. Teileigentum Vereinbarungscharakter hat, ist eine Umwandlung von Wohnungs- in Teileigentum – und umgekehrt – durch Vereinbarung (ohne Auflassung) möglich. Eine solche Umwandlung bedarf keiner Zustimmung dinglicher Gläubiger, lediglich einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung.[4] Soll die Änderung zum Inhalt des Grundbuchs werden (und alles andere wäre "witzlos"), muss die Eintragung (wie immer → § 2 Rdn 85) von allen Eigentümern bewilligt werden (außer wenn die Gemeinschaftsordnung einen "Änderungsvorbehalt" dergestalt enthält, dass ein einzelner Eigentümer dazu berechtigt ist).[5] Oft wird auf Wunsch einzelner Eigentümer ein Beschluss über die zulässige Nutzung gefasst ("Mit der Nutzung der Einheit Nr. 3 als Eisdiele / Wohnung usw. besteht Einverständnis"); solche Beschlüsse sind (wenn nicht in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen) mangels Beschlusskompetenz nichtig (→ § 2 Rdn 4). Ein Anspruch auf Änderung der in der Teilungserklärung verankerten Nutzung besteht nur theoretisch (→ § 2 Rdn 106).

 

Rz. 4

Welche konkrete Nutzung nach der jeweiligen Zweckbestimmung zulässig ist, ist durch Auslegung der Teilungserklärung festzustellen. Dem Aufteilungsplan kommt dabei grundsätzlich keine Bedeutung zu (→ § 1 Rdn 3). Maßgebend ist (wie immer → § 2 Rdn 83) der Wortlaut der Regelung und ihr Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung ergibt; Umstände außerhalb der Teilungserklärung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Ob der objektive Bedeutungsgehalt einer Zweckbestimmung "statisch" (bezogen auf den Zeitpunkt der Entstehung der Anlage) oder "dynamisch" zu verstehen ist, weil sich Ansichten und Rahmenbedingungen im Laufe der Zeit ändern (z.B. galten für einen "Laden" in den 1950er Jahre viel engere Ladenschlusszeiten als heute), wird kontrovers beurteilt und wurde vom BGH bislang offen gelassen.[6]

 

Rz. 5

Eine formal zweckbestimmungswidrige Nutzung ist dann zulässig, wenn sie nicht mehr stört als die zweckbestimmungsgemäße Nutzung. Nach ständiger Rechtsprechung "kann eine nach dem vereinbarten Zweck nicht gestattete Nutzung nicht untersagt werden, wenn diese bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung".[7] Das gilt insbesondere ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge