Rz. 33

Wie wir oben gesehen haben (siehe Rdn 29) geht der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber eben nur so weit, wie der Betroffene den Bereich seiner privaten Lebensführung nicht selbst freiwillig gegenüber anderen öffnet und diese daran teilhaben lässt. Wer also mit einem Kommunikationspartner Nachrichten austauscht, ihm Fotos von sich zur Verfügung stellt oder sich fotografieren lässt, willigt in die damit verbundene Preisgabe seines privaten Lebensbereichs ein. Wie weit diese Einwilligung reicht, bestimmt sich nach dem Inhalt der Einwilligung. Allerdings ist eine solche Einwilligung oft auslegungsbedürftig.

a) Auslegung der Einwilligung

 

Rz. 34

Die dogmatische Einordnung der Einwilligung ist umstritten. Man kann sie einordnen als rechtsgeschäftliche Willenserklärung, als rechtsgeschäftsähnliche Erklärung oder auch als Realakt.[27] Abhängig von der Antwort auf diese Frage wird auch unterschiedlich beurteilt, ob eine Einwilligung widerrufen werden kann.[28] Der BGH hat sich in diesem Streit nicht abschließend positioniert, geht aber davon aus, dass eine Einwilligung ausgelegt werden kann, und zwar insbesondere mit Blick auf ihren Zweck, ihren Umfang und ihre Dauer.

In seiner Entscheidung zum Anspruch auf Löschung intimer Fotos hat der BGH das wie folgt zusammengefasst:[29]

Zitat

"Maßstab für die Frage nach der Wirksamkeit und dem Umfang einer solchen Einwilligung können die für die Einwilligung nach § 22 KunstUrhG entwickelten Grundsätze sein. Die Einwilligung kann danach grundsätzlich im privaten Bereich konkludent und auch formlos (vgl. zur Abgrenzung BAG, BB 2015, 1276, 1277 [BAG 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13]), beschränkt oder unbeschränkt erteilt werden, die Beschränkung kann etwa in räumlicher oder zeitlicher Hinsicht oder im Hinblick auf einen bestimmten Zweck oder für bestimmte Medien erfolgen […]. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Reichweite der Einwilligung durch Auslegung nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. zu § 22 Satz 1 KunstUrhG Senatsurteile vom 28.9.2004 – VI ZR 305/03, VersR 2005, 83; vom 14.11.1995 – VI ZR 410/94, VersR 1996, 204, 205; vom 14.10.1986 – VI ZR 10/86, NJW-RR 1987, 231; vom 6.2.1979 – VI ZR 46/77, NJW 1979, 2203)."

Letztlich findet bei der Auslegung der Einwilligung eine Abwägung der im Einzelfall widerstreitenden Interessen statt, denn der Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und insbesondere auch die Einwilligung im Speziellen folgen dem Prinzip des überwiegenden Interesses.[30]

[27] Zum Streitstand vgl. etwa OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.2.2011 – 16 U 172/10, dort Rn 37, BeckRS 2011, 06926; OLG Koblenz, Urt. v. 20.5.2014 – 3 U 1288/13, dort unter II. 1. d), BeckRS 2014, 10308. Offen gelassen von BGH, Urt. v. 13.10.2015 – VI ZR 271/14, NJW 2016, 1094.
[28] Vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.2.2011 – 16 U 172/10, dort Rn 37, BeckRS 2011, 06926; OLG Koblenz, Urt. v. 20.5.2014 – 3 U 1288/13, dort unter II. 1. d), BeckRS 2014, 10308.
[30] Vgl. für die Einwilligung insbesondere MüKo-StGB/Schlehofer, Vor § 32 StGB Rn 60 f., 184.

b) Kernbereich der privaten Lebensgestaltung

 

Rz. 35

Im konkreten Fall bestätigte der BGH die Auslegung der Einwilligung durch das OLG Koblenz, wonach bei intimen, während des Bestehens einer Beziehung angefertigten Fotos die Einwilligung nur für die Dauer der Beziehung erteilt sei. Insbesondere weil die Einwilligung nicht auf der Basis eines Vertrages und nicht gegen Geld, wie etwa bei einem professionellen Modell, sondern allein zu privaten Zwecken und aufgrund der bestehenden Beziehung erteilt wurde, müsse sie als befristet erteilt angesehen werden.[31]

Ein wesentlicher Faktor für die Auslegung der Einwilligung ist mithin gerade der Umstand, dass die Fotos den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung berührt haben.

[31] BGH, Urt. v. 13.10.2015 – VI ZR 271/14, dort Rn 39, NJW 2016, 1094; OLG Koblenz, Urt. v. 20.5.2014 – 3 U 1288/13, dort unter II. 1. d), BeckRS 2014, 10308.

c) Einwilligung außerhalb des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung

 

Rz. 36

Betrifft die Einwilligung nicht den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, wird die Auslegung der Einwilligung regelmäßig zu anderen Ergebnissen führen. Das OLG Koblenz hatte es anschaulich wie folgt zusammengefasst:[32]

Zitat

"Im Rahmen der Prüfung des Anspruchs auf Löschung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog ist zu berücksichtigen, dass unter Beachtung des Grundsatzes der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte das allgemeine Persönlichkeitsrecht und der Umstand der Einwilligung in die Anfertigung einerseits in Abwägung zu bringen sind mit dem Eigentumsrecht des Beklagten an den Lichtbildern und elektronischen Vervielfältigungsstücken sowie dem Recht auf Kunstfreiheit andererseits."

Das Landgericht hebt zu Recht hervor, dass Lichtbilder, die die Klägerin in bekleidetem Zustand in Alltags- oder Urlaubssituationen zeigen, das allgemeine Persönlichkeitsrecht in einem geringeren Maße tangieren und weniger geeignet sind, das Ansehen der Klägerin gegenüber Dritten zu beeinträchtigen.“

Das OLG Koblenz benennt hier die betroffenen Interessen im Einzelnen –...

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