Rz. 207

Ein weiterer Fragenkomplex bildet die Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen sozialer Netzwerke. Dabei sollen zwei Bereiche unterschieden werden. Zum einen im Verhältnis "Produzent" zu Plattform, zum anderen soziales Netzwerk zu Usern. Dass vielfach Produzent und User zusammenfallen, ist gerade das Spezifikum sozialer Netzwerke (user generated content).

 

Rz. 208

Im Verhältnis zwischen Urheber und Verwerter hat der BGH[275] in seiner ersten Entscheidung zur Angemessenheit einer Vergütung gem. § 32 UrhG wie folgt ausgeführt:

Zitat

"Die Interessen des Urhebers sind grundsätzlich nur dann ausreichend gewahrt, wenn er an jeder wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes angemessen beteiligt ist. Bei einer fortlaufenden Nutzung des Werks wird dem Beteiligungsgrundsatz daher am besten durch eine erfolgsabhängige Vergütung entsprochen."

Werden also die eingeräumten Nutzungsrechte nicht einzeln bestimmt, sondern pauschal die Rechte an allen eingestellten Inhalten übertragen, findet § 31 Abs. 5 UrhG (unmittelbare) Anwendung. Bei solchen "Buy-Out-Verträgen" kann der Urheber über die Anpassung des Vertrags eine Nachzahlung des Honorars verlangen. In jüngerer Zeit wird regelmäßig in solchen Fällen – selbst bei der Einzelübertragung von Nutzungsrechten – die AGB-Kontrolle durchgeführt, letztlich also darauf geachtet, dass der Urheber nicht unangemessen benachteiligt wird. Dabei stellt sich dann die Frage, ob § 31 Abs. 5 UrhG ("Zweckübertragungsregel") als Auslegungsmaxime oder vielmehr als Spezifizierungsregelung des Werkvermittlers anzusehen ist (siehe dazu oben Rdn 113 zur Zweckübertragungsregel). Für letztere Auffassung spricht § 11 S. 2 UrhG, der die Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes besonders betont. Dann aber ist die Zweckübertragungsregel als gesetzlicher Maßstab gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzusehen, bei deren Normabweichung die maßgebliche Klausel unwirksam ist.[276] Der BGH[277] und Teile der Literatur[278] vertreten hingegen die Auffassung, dass die Zweckübertragungsregel lediglich als Auslegungsregel ohne Leitbildfunktion zu verstehen ist. Dazu kommt häufig noch der problematische Fall, dass einige Netzwerke sich das Recht zur Unterlizenzierung einräumen lassen, obwohl sie lediglich selbst nur Inhaber einfacher Nutzungsrechte sind. Nach überwiegender Auffassung ist aber die Einräumung weiterer Nutzungsrechte bei einem einfachen Nutzungsrecht ausgeschlossen, so dass der Plattformbetreiber keine wirksamen Unterlizenzen erteilen kann.[279]

 

Rz. 209

Im Verhältnis zwischen Plattformbetreiber und Nutzer sind die eingesetzten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls einer Inhaltskontrolle ausgesetzt. Im Vorfeld ist zunächst die Anwendbarkeit deutschen Rechts zu prüfen. In der Regel wird eine Rechtswahl stattfinden (Art. 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO). Sofern deutsches Recht vereinbart wird, was auch durch AGB geschehen kann, treten keine Schwierigkeiten auf. Bei einer Wahl ausländischen Rechts kommt Art. 6 Abs. 1 Rom-I VO dann zum Tragen, wenn sich der Anbieter an deutsche Verbraucher wendet. Nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom-I VO darf die Rechtswahl dann nicht dazu führen, dass dem Verbraucher zwingende Vorschriften des deutschen Rechts vorenthalten werden. Entscheidend ist dabei, dass der Anbieter sozialer Netzwerke seine Webseite auf Verbraucher in Deutschland ausrichtet. Zwingende Vorschriften in diesem Sinne sind jedenfalls die Regelungen zur AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB). Es gilt dann das zu dem Verhältnis zwischen Urheber und Anbieter Gesagte.

[276] So auch OLG Hamburg v. 1.6.2011 – 5 U 113/09, GRUR-RR 2011, 293 (Übertragung von Nutzungsrechten).
[277] BGH v. 18.2.1982 – I ZR 81/80, GRUR 1984, 45, 48 (Sendevertrag).
[278] Etwa Spindler/Schuster/Wiebe, Recht der elektronischen Medien, § 31 UrhG Rn 15.
[279] Schricker/Loewenheim/Ohly, Urheberrecht, § 35 Rn 7.

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