Rz. 46

Die hier maßgebliche Gewerbeordnung sieht keine Legaldefinition des Begriffes "Gewerbe" vor. Rechtsprechung und Literatur verstehen hierunter jede erlaubte, auf Erwerb gerichtete und auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit mit Ausnahme der Urproduktion, der Verwaltung eigenen Vermögens, wissenschaftlicher, künstlerischer und schriftstellerischer Berufe sowie persönlicher Dienstleistungen höherer Art.[86] Die Herausnahme der künstlerischen Berufe aus dem Gewerberecht wird letztlich auf Art. 5 Abs. 3 GG zurückgeführt, der die Ausübung von Kunst allgemein als eine "freie" Tätigkeit ansieht.

 

Rz. 47

Die Grenzziehung zwischen Gewerbe- und Handwerksrecht verläuft in der Weise, dass die Gewerbeordnung primär polizei- und ordnungsrechtlichen Charakter hat, wohingegen die Handwerksordnung in erster Linie den Schutz und die Förderung handwerklicher Berufe bezweckt.[87] Gerade die Grenzziehung zwischen Handwerk und künstlerischer Berufsausübung ist nicht leicht zu orten und hat zahlreiche Gerichte befasst. Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird ein weiter Kunstbegriff zugrunde gelegt.[88] Kunst ist danach die "Darstellung der Wirklichkeit in der Anschauung". Dieser Kunstbegriff hat einen weiteren Anwendungsbereich als das "Kunsthandwerk". Die eigentlichen Abgrenzungskriterien orientieren sich zunächst an dem geschaffenen Werk.[89] Weitere Ansatzpunkte sind die einzelnen Tätigkeitsmerkmale oder die für die Berufsausübung benötigten Fertigkeiten. Nach einer Entscheidung des VG Augsburg[90] spricht für eine künstlerische Leistung, wenn das Schaffen von einer künstlerischen Idee geleitet wird. Demgegenüber arbeite der Handwerker nicht planvoll auf eine künstlerische Gestaltung hin, auch wenn er im Einzelfall möglicherweise zu einer künstlerischen Leistung gelange, während der Künstler stets von seinen künstlerischen Ideen ausgehe, auch wenn er zu ihrer Verwirklichung im Einzelfall zwangsläufig in größerem oder geringerem Umfang handwerklicher Fähigkeiten bedürfe.[91]

[86] Ennuschat/Wank/Winkler/Winkler, Gewerbeordnung, § 1 Rn 2 ff.
[87] BGH v. 22.9.1983 – VII ZR 43/83, NJW 1984, 230, 231 (Fehlerhafter Eintrag in der Handwerksrolle).
[88] BVerfG v. 24.2.1971 – 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173, 188 (Mephisto); BVerfG v. 17.7.1984 – 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213, 226 (Anachronistischer Zug).
[89] BVerfG v. 3.11 2000 – 1 BvR 581/00, ZUM 2001, 320 (Deutschland muss sterben).
[90] VG Augsburg v. 6.11.1985 – 4 K 83 A/1181, GewA 1986, 133, 135.
[91] Maaßen, Kunst oder Gewerbe?, Rn 570 ff.

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