A. Überblick

 

Rz. 1

Ist der Anwalt mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, also einer Beschwerde oder einer Rechtsbeschwerde, beauftragt, gilt Teil 2 Abschnitt 1 VV. Dem Anwalt darf allerdings noch kein unbedingter Verfahrensauftrag für das Rechtsmittel erteilt worden sein. Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechende Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren abgegolten, die auch die Beratung über die Erfolgsaussicht abdeckt (§ 19 Abs. 1 S. 1 RVG).

 

Rz. 2

Die Gebühren nach Teil 2 Abschnitt 1 VV gelten auch dann, wenn der Mandant bereits den Auftrag zum Rechtsmittel bedingt für den Fall erteilt hatte, dass der Anwalt zu dem Ergebnis kommt, es bestehe Aussicht auf Erfolg. Insoweit liegt nur ein bedingter Rechtsmittelauftrag vor,[1] der erst mit dem Eintritt der Bedingung (positives Beratungsergebnis) wirksam wird (§ 158 Abs. 1 BGB). Soweit der Anwalt vom Rechtsmittel abrät, kommt mangels Bedingungseintritts der Rechtsmittelauftrag nicht zustande, so dass es bei der Vergütung nach Nrn. 2100 f. VV verbleibt. Kommt der Anwalt zu einem positiven Beratungsergebnis, wird der Rechtsmittelauftrag wirksam, so dass hiernach die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittels entsteht. Die Prüfungsgebühr ist dann auf die Gebühr des Rechtsmittelverfahrens anzurechnen (Anm. zu Nr. 2100 VV) (siehe Rdn 9 ff., 14).

 

Rz. 3

Hinzu kommen die Auslagen nach Teil 3 VV. Eine Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV fällt allerdings nur an, wenn tatsächlich auch Post- oder Telekommunikationsentgelte entstehen, also etwa dann, wenn die Beratung schriftlich erfolgt oder der Anwalt das mündliche Prüfungsgespräch wunschgemäß nochmals schriftlich zusammenfasst und dem Mandanten zusendet,[2] dagegen nicht bei bloßer mündlicher Prüfung.[3] Allerdings ist es angesichts der zunehmenden Möglichkeiten des elektronischen Rechtsverkehrs und der auch damit verbundenen Flatrateverträge nicht erforderlich, dass sich dem konkreten Mandat einzelne Kostenpositionen zuordnen lassen.[4]

 

Rz. 4

Unerheblich ist, ob der mit der Prüfung beauftragte Anwalt im vorangegangenen Verfahren Bevollmächtigter war.[5] Die Gebühr nach Nr. 2100 VV kann insbesondere auch dann anfallen, wenn die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels durch den vorinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten erfolgt.[6]

 

Rz. 5

Da es sich bei der Prüfung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht um eine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren, sondern um eine Tätigkeit anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens handelt, ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht möglich.[7] In Betracht kommt aber die Gewährung von Beratungshilfe[8] (siehe hierzu § 16).

[1] LG Köln AGS 2012, 385 = NJW-RR 2012, 1471 = NJW-Spezial 2012, 571.
[2] AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn. 7001, 7002 VV Rn 19.
[3] AG Koblenz AGS 2004, 185 m. Anm. N. Schneider.
[4] OLG Frankfurt AGS 2017, zfs 2017, 463 = JurBüro 2017, 414 = RVGreport 2017, 300.
[5] OLG Düsseldorf AGS 2006, 482 = JurBüro 2006, 235 = OLGR 2007, 294 m. Anm. N. Schneider; LG Berlin AGS 2006, 73 m. Anm. N. Schneider; AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 2100 Rn 6; a.A. KG AGS 2006, 433 m. abl. Anm. N. Schneider.
[6] OLG Düsseldorf AGS 2006, 482 = JurBüro 2006, 235 = OLGR 2007, 294 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2007, 67 = VRR 2007, 77.
[7] BGH AGS 2007, 360 u. 411 = FamRZ 2007, 1088 = Rpfleger 2007, 476 = MDR 2007, 1032 = JurBüro 2007, 436 = AnwBl 2007, 634 = NJW-RR 2007, 1439 = FuR 2007, 316 = FamRB 2007, 267 = RVGreport 2007, 353.
[8] OLG Düsseldorf AGS 2005, 567 m. Anm. Schons; OLG Frankfurt/M. AGS 2006, 137.

B. Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels

I. Vergütung

 

Rz. 6

Ist der Anwalt nur mit der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels beauftragt, richtet sich die Gebühr nach Nr. 2100 VV. Dem Anwalt steht danach ein Gebührenrahmen von 0,5 bis 1,0 zu. Die Mittelgebühr beträgt 0,75. Die Gebührenhöhe bestimmt der Anwalt unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall. Insoweit will das LG Köln[9] auch berücksichtigen, welche Verfahrensgebühr das Rechtsmittelverfahren bei vorzeitiger Erledigung vorsieht. So begründet es die Höchstgebühr von 1,0 für die Prüfung der Erfolgsaussicht einer Berufung auch damit, dass bereits die ermäßigte Verfahrensgebühr vor Einlegung der Berufung nach Nr. 3201 VV 1,1 betrage. Entsprechendes müsse danach auch für eine Beschwerde betreffend eine Endentscheidung wegen des Hauptgegenstands gelten.

 

Rz. 7

Eine Erhöhung der Gebühr nach Nr. 1008 VV ist zwar möglich, in Familiensachen jedoch nahezu ausgeschlossen, da, sofern der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt, in aller Regel unterschiedliche Gegenstände vorliegen, deren Werte daher nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG zusammenzurechnen sind.

 

Rz. 8

Erledigt sich der Auftrag vorzeitig, also bevor der Anwalt die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels geprüft hat, so findet eine Reduzierung des Gebührenrahmens nicht statt. Eine den Nrn. 3201 Nr. 1, 3207 VV vergleichbare Vorschrift gibt es nicht. Die vorzeitige Beendigung ist lediglich bei der Bemessung nach § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigen. Es i...

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