Rz. 585

Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers möglich sein. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 888 ZPO muss das Arbeitsgericht grundsätzlich Tatsachen berücksichtigen, die nach Erlass des zu vollstreckenden Urteiles eingetreten sind.

aa) Wegfall des Arbeitsplatzes

 

Rz. 586

Der Arbeitgeber kann im Vollstreckungsverfahren daher durchaus einwenden, dass der Arbeitsplatz zwischenzeitlich infolge einer Umorganisation weggefallen ist.[1301] Allerdings wird es als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn der Arbeitgeber sich eine titulierte Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung gezielt durch eine gerade dadurch motivierte Umorganisation unmöglich macht. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung berufen.[1302] Soweit sich der Arbeitgeber auf eine Umorganisation beruft, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt hat, muss er dies im Einzelnen substantiiert belegen.[1303]

 

Rz. 587

Der Weiterbeschäftigung kann ebenfalls entgegengehalten werden, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers oder vergleichbare Arbeitsplätze mittlerweile auf ein anderes Unternehmen nach § 613a BGB übergegangen ist.[1304]

 

Praxistipp

Regelmäßig wird der Arbeitnehmer dem Argument des zwischenzeitlichen Wegfalls des Arbeitsplatzes infolge Umorganisation entgegenhalten, dass der Arbeitgeber sich hierdurch absichtlich der Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs entziehen wolle. Der Arbeitgeber hat demnach zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen, dass dies nicht der Fall ist. Im Laufe eines lang andauernden Kündigungsschutzverfahrens mit möglicherweise langer Freistellungsphase kann der Arbeitgeber durchaus argumentieren, dass er sich infolge der langen Abwesenheit des Arbeitnehmers zum Abbau seines Arbeitsplatzes entschieden hat.

[1301] LAG Hamm 29. 8. 1984 – 1 Ta 207/84, AuR 1985, 62; ebenso LAG Hamm 15. 2. 1991 – 7 Ta 28/91, LAGE Nr. 22 zu § 888 ZPO; LAG Schleswig-Holstein 11.12.2003 – 2 Ta 257/03, NZA-RR 2004, 408.
[1304] Reufels, § 3 Rn 462.

bb) Weitere objektive Hindernisse

 

Rz. 588

Außerdem können weitere objektive, vom Arbeitgeber nicht beeinflussbare Hindernisse angeführt werden, die der Weiterbeschäftigung entgegenstehen. In Betracht kommen die Krankheit des Arbeitnehmers, ein Beschäftigungsverbot oder ein Hausverbot, das den Einsatz des Arbeitnehmers bei einem Dritten unmöglich macht.[1305]

 

Rz. 589

Gründe, über die das Gericht im Erkenntnisverfahren bereits entschieden hat (z.B. der Wegfall des Arbeitsplatzes im Falle einer betriebsbedingten Kündigung), müssen im Vollstreckungsverfahren unberücksichtigt bleiben.[1306]

[1305] LAG Hessen 22.1.2014 – 12 Ta 366/13, juris; LAG Berlin 06.06.1986 – 9 Ta 6/86, AP Nr. 10 zu § 888 ZPO; GMP/Schleusener, ArbGG, § 62 Rn 62.

cc) Folgekündigung, Auflösungsantrag

 

Rz. 590

Dem Weiterbeschäftigung kann auch entgegenstehen, wenn eine nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts ausgesprochene Folgekündigung[1307] oder ein in der Berufungsinstanz neu gestellter Auflösungsantrag zu einer neuen, zusätzlichen Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt.[1308]

[1307] LAG Hamburg 20.3.2014 – 3 Sa 2/14, juris; LAG Rheinland-Pfalz 11.12.2012 – 10 Sa 422/12, juris; LAG Sachsen-Anhalt 25.9.2002 – 8 Sa 344/02; LAG Berlin 14.7.1993, LAGE Nr. 20 zu § 62 ArbGG 1979; a.A. LAG Rheinland-Pfalz 27.11.2007 – 10 Ta 263/07, ArbuR 2008, 193; LAG Frankfurt 28.1.1985 – 12 Ta 16/85, NZA 1985, 460; Die Folgekündigung muss jedoch auf einen neuen Lebenssachverhalt gestützt werden und nicht offensichtlich unwirksam sein.
[1308] BAG 16. 11. 1995 – 8 AZR 864/93, NZA 1996, 589, 593; GMP/Schleusener, ArbGG, § 62 Rn 62.

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