Rz. 76

§ 130d S. 2 und 3 ZPO regeln die Zulässigkeit der Ersatzeinreichung bei vorübergehender technischer Störung:

Zitat

"2Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. 3Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen."

 

Rz. 77

Nach Ansicht des Gesetzgebers gilt § 130d ZPO nicht nur für das Erkenntnisverfahren im 1. Rechtszug, sondern grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO. Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers darüber hinaus vor allem auch zur Wahrung materiell-rechtlicher Verjährungs- oder Ausschlussfristen möglich sein, da in solche Fristen keine Wiedereinsetzung gewährt werden kann bzw. bei denen gem. § 167 ZPO eine Rückwirkung der verjährungshemmenden Wirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht vorgesehen ist.[70] Der Gesetzgeber wollte aber ausdrücklich keinesfalls mit dieser Möglichkeit der Ersatzeinreichung professionelle Nutzer, wie z.B. Rechtsanwälte, von der Verpflichtung entbinden, die "notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen."[71] Mit der Glaubhaftmachung bei Ersatzeinreichung ist daher auch vorzutragen,

dass die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vom Nutzungspflichtigen vorgehalten werden und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe gesorgt wird,[72]
sowie zur Tatsache, dass die Störung nur vorübergehender Natur ist.[73]

Fordert das Gericht ein elektronisches Dokument an, ist dieses nachzureichen. Eine solche Anforderung sollte keinesfalls ignoriert werden, da sie in einem Atemzug mit der heilenden (fristgerechten) Ersatzeinreichung genannt ist.

 

Rz. 78

§ 130d S. 2 u. 3 ZPO enthält somit einen "Rettungsanker", wenn die Technik im entscheidenden Moment versagt.

 

Rz. 79

Dabei gibt es in § 130d S. 2 ZPO vier Anknüpfungspunkte für die Ersatzeinreichung:

Es besteht eine Störung.
Die Störung ist vorübergehender Art.
Die Störung ist technischer Art.
Die Störung führt zur Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung.

Was mit "vorübergehend" gemeint ist, füllt die Rechtsprechung bereits mit Leben und stellt eine entsprechende Anforderung an Anwälte. Sicherlich nicht gemeint ist der Fall einer angesagten kurzfristigen ­Stromunterbrechung am frühen Nachmittag, wenn es dem Anwalt noch zuzumuten ist, die Einreichung zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zu versuchen. Das beA bietet zudem hier den Vorteil, dass die Versendung "von überall" her erfolgen kann, da das beA über jeden gängigen Web-Browser aufgerufen werden kann, sofern auf dem entsprechenden PC/Notebook die Zugangssoftware beA Client-Security installiert ist und ein entsprechender Zugangsschlüssel wie ein Softwarezertifikat oder eine beA-Karte Basis mit Kartenleser vorhanden sind, vgl. § 5 Rdn 1 ff. in diesem Werk. Sofern eine Internetstörung andauert (hier: fünf Wochen), handelt es sich nach Ansicht des OVG Münster nicht mehr um eine vorübergehende Störung;[74] ein Anwalt muss sich dann um einen anderen Internetzugang bemühen, ggf. auch via Handy einen Hotspot einrichten. Professionelle Nutzer sind gehalten, bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen.[75]

 

Rz. 80

Fraglich ist bis heute, ob und wie lange eine elektronische Einreichung versucht werden muss, bevor zur Ersatzeinreichung gegriffen werden darf. Stichwort: vorschnelles Aufgeben der elektronischen Übermittlung – wann?

 

Rz. 81

 

Beispiel

Für das beA-System sind für den heutigen Tag Wartungsarbeiten angekündigt, die voraussichtlich bis 22.00 Uhr andauern. Die Fristsache läuft heute ab. Die Fertigstellung des Schriftsatzes gelingt erst gegen 21.00 Uhr.

Darf nun die Ersatzeinreichung erfolgen oder muss abgewartet werden, ob um 22.00 Uhr die Wartungsarbeiten ordnungsgemäß beendet wurden und muss sodann eine elektronische Einreichung erfolgen?

Was getan werden muss, ist gesetzlich nicht geregelt. Wir empfehlen, den Schriftsatz tunlichst elektronisch einzureichen und den Abschluss der Wartungsarbeiten abzuwarten, bis Rechtsprechung des BGH existiert, die über derartige Fragen entschieden hat. Vor allem dann, wenn die Kanzlei häufig "nachts" Schriftsätze eingereicht hat, wird sie damit rechnen müssen, dass im Einzelfall auch in dem hier beschriebenen Fall erwartet wird, die Einreichung nach 22.00 Uhr elektronisch vorzunehmen.

Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn zwar abgewartet wird, die Wartungsarbeiten jedoch nicht planmäßig um 22.00 Uhr enden? Darf dann die Ersatzeinreichung erfolgen oder muss bis 23.59 Uhr weiter versucht werden, elektronisch einzureichen?

Rechtsprechung wie zum Fax (siehe hierzu § 16 Rdn 127 ff. in diesem Werk); was als Sende- und Pufferzeiten berücksichtigt werden muss, gibt es bis...

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