Rz. 790

Häufig nehmen Ehegatten während bestehender Ehe gemeinsam Verbindlichkeiten auf, die ausschließlich dem Interesse eines Ehegatten dienen, so z.B. für die Anschaffung oder den Ausbau einer Wohnung, welche sich im Alleineigentum eines Ehegatten befindet. Im Falle einer Trennung und Scheidung der Ehe stellt sich dann die Frage, ob und in welchem Umfang ein lediglich mithaftender Ehegatte weiterhin zur Rückführung solcher Darlehensverbindlichkeiten verpflichtet ist. Grundsätzlich nämlich bleibt die gesamtschuldnerische Haftung im Außenverhältnis vom Scheitern der Ehe unberührt.

 

Rz. 791

Die Rechtsprechung billigt deshalb einem Ehegatten, der während intakter Ehe dem anderen Ehegatten die Aufnahme von Krediten durch Übernahme einer persönlichen Haftung ermöglicht, nach Scheitern der Ehe einen Befreiungsanspruch nach den Regeln des Auftragsrechts gegen den anderen Ehegatten zu.[652] Die Geltendmachung eines solchen Befreiungsanspruchs unterliegt jedoch Einschränkungen, die sich als Nachwirkung der Ehe sowie nach Treu und Glauben aus den Umständen ergeben, die zur Begründung der Verbindlichkeiten geführt haben.[653]

[652] OLG Hamm, Urt. v. 27.11.1991 – 33 U 19/91, FamRZ 1992, 437.
[653] BGH, Urt. v. 5.4.1989 – IV b ZR 35/88, FamRZ 1989, 835.

I. Rechtliche Konstruktion

 

Rz. 792

Ein Freistellungs- oder Befreiungsanspruch nach dem Scheitern der Ehe kann nach den Regeln des Auftragsrechts gem. §§ 670 BGB, 257 BGB bestehen, wenn ein Ehegatte während intakter Ehe für Zwecke des anderen Verbindlichkeiten übernommen hat, namentlich dem anderen die Aufnahme eines Kredits durch Übernahme der persönlichen Mithaftung oder durch Einräumung von persönlichen Sicherheiten ermöglicht hat. Er beruht auf einer schuldrechtlichen Sonderbeziehung der Parteien, deren Eingehung auch zwischen Ehegatten grundsätzlich möglich und in der Regel als Auftrag zu qualifizieren ist.[654]

 

Rz. 793

Einer Abwicklung nach Auftragsrecht steht nicht entgegen, dass das Kündigungsrecht des § 671 Abs. 1 BGB regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn der Auftrag unter Eheleuten erteilt wird und der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dient. Scheitert die Ehe, was sich in der Trennung und der Stellung eines Scheidungsantrages zeigt, kann aus wichtigem Grund gem. § 671 Abs. 3 BGB gekündigt werden.

 

Rz. 794

Eine Kündigung kann bereits in einem vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens geäußerten Befreiungsverlangen liegen.[655]

 

Rz. 795

Als Rechtsfolge der Kündigung kann der Beauftragte den Ersatz seiner Aufwendungen gem. § 670 BGB verlangen. Im Rahmen von § 670 BGB sind aber nicht nur aus eigenen Mitteln bestrittene Aufwendungen ersatzfähig, sondern auch Aufwendungen aus der Eingehung von Verbindlichkeiten. Das ergibt sich aus § 257 BGB, wonach die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz auch die Verpflichtung zur Freistellung hierfür eingegangener Verbindlichkeiten umfasst. Der Schuldner des Befreiungsanspruchs ist dann grundsätzlich verpflichtet, den Gläubiger so zu stellen, wie er ohne die Belastung mit den Drittschulden stehen würde. Auf welche Weise das zu geschehen hat, regelt das Gesetz nicht näher. In Betracht kommen verschiedene Möglichkeiten wie etwa die Erbringung der Leistung an den Drittgläubiger, eine befreiende Schuldübernahme, die Sicherstellung des Gläubigers und anderes.[656] Dem Befreiungsschuldner steht es also grundsätzlich frei, auf welche Weise er die Befreiung bewirkt.

 

Rz. 796

Wurde jedoch der Beauftragte vom Gläubiger bereits in Anspruch genommen worden, so kann er die geleisteten Zahlungen gem. § 670 BGB als Aufwendungen vom Befreiungsschuldner ersetzt verlangen.[657]

[654] BGH, Urt. v. 5.4.1989 – IV b ZR 35/88, FamRZ 1989, 835.
[656] BGH, Urt. v. 5.4.1989 – IV b ZR 35/88, FamRZ 1989, 835.
[657] OLG Hamm, Urt. v. 15.2.2002 – 10 UF 216/01, FamRZ 2003, 97.

II. Voraussetzungen

 

Rz. 797

Voraussetzungen eines Befreiungsanspruchs gem. §§ 670, 257 BGB sind, dass die Ehe gescheitert ist, die Kreditmittel im Innenverhältnis ausschließlich im Interesse einesEhegatten begründet wurden und Treu und Glauben der Geltendmachung des Befreiungsanspruchs nicht entgegenstehen.[658]

 

Rz. 798

Die Ehe ist gem. § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Gem. § 1567 Abs. 1 BGB leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht wiederherstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.

 

Rz. 799

Für das Scheitern der Ehe in diesem Sinne ist somit auf die endgültige Trennung der Eheleute abzustellen, die sich regelmäßig mit dem endgültigen Auszug eines Ehegatten aus der vormaligen Ehewohnung vollzieht.[659]

 

Rz. 800

Teilweise wird beim gesetzlichen Güterstand erst ab Zustellung des Scheidungsantrags vom Scheiter...

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