Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Ehegatte verpflichtet, den anderen Ehegatten nach der Ehescheidung von einer während intakter Ehe eingegangenen gesamtschuldnerischen Darlehensverbindlichkeit zu befreien, unterliegt die Geltendmachung des Befreiungsanspruches Einschränkungen, die sich als Nachwirkung der Ehe sowie nach Treu und Glauben ergeben.

2. Solange der zur Freistellung verpflichtete Ehegatte aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Kreditinstitut die vereinbarten Darlehensraten zahlt, kann der Befreiungsgläubiger nicht im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO zur Tilgung des gesamten Restdarlehens in einer Summe ermächtigt und der Befreiungsschuldner nicht zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe der Restdarlehenssumme verurteilt werden.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 19.12.2003; Aktenzeichen 10 O 166/03)

 

Tenor

Auf die am 27.1.2004 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Schuldners vom gleichen Tage wird der ihm am 13.1.2004 zugestellte Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Bonn vom 19.12.2003 - 10 O 166/03 - aufgehoben. Der Vollstreckungsantrag der Gläubigerin vom 7.11.2003 wird abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Gläubigerin.

 

Gründe

Die gem. § 793 ZPO statthafte und in formeller Hinsicht bedenkenfreie sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die durch den angefochtenen Beschluss ausgesprochene Ermächtigung der Gläubigerin zur Ersatzvornahme und die Verurteilung des Schuldners auf Vorschusszahlung gem. § 887 Abs. 1 und 2 ZPO liegen nicht vor.

Es kann dahingestellt bleiben (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., vor § 253 Rz. 10 "Ausnahmen"), ob es, wie der Beschwerdeführer meint, schon am Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin fehlt, aus dem rechtskräftigen Versäumnisurteil des LG vom 12.5.2003 die Zwangsvollstreckung zu betreiben, etwa weil die Gläubigerin derzeit kein schutzwürdiges Interesse an einer Vollstreckung nach § 887 ZPO hat (vgl. dazu Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., vor § 704 Rz. 17). Jedenfalls fehlt es an der sachlichen Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO, dass der Schuldner die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, nicht erfüllt hat. Durch das Versäumnisurteil des LG vom 12.5.2003 ist der Schuldner verurteilt worden, die Gläubigerin von der im Urteilstenor konkret bezeichneten gemeinsamen Darlehensschuld bei der Sparkasse C in Höhe einer damals noch bestehenden Restschuld von 9.095,90 Euro freizustellen. Der Freistellungsanspruch war in der Klageschrift der Gläubigerin auf den Scheidungsfolgenvergleich der Parteien vom 19.9.2002 gestützt worden, in der es u.a. heißt: "Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien das im Hinblick auf die ehebedingten Schulden, die vom Antragsgegner weiter bedient werden, derzeit nachehelicher Ehegattenunterhalt nicht geltend gemacht wird. Die Parteien gehen dabei davon aus, dass noch eine Restschuld auf diese Darlehensverpflichtungen in einer Größenordnung von 12.000 Euro besteht." Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung waren die Parteien wegen zwei aufeinander folgender rückständiger Darlehensraten von Seiten der Sparkasse C gemahnt worden, die zugleich angekündigt hatte, das Darlehen zu kündigen, wenn der Rückstand nicht innerhalb von 14 Tagen ausgeglichen werde. Unstreitig kam es seinerzeit sodann nach Zustellung des Versäumnisurteils vom 12.5.2003 an den Beschwerdeführer zwischen ihm und der Sparkasse zu Verhandlungen über die weitere Bedienung des Darlehens, die mit einer Vereinbarung über die Fortsetzung von Ratenzahlungen auf das Darlehen durch ihn abgeschlossen wurden. Hierüber hat der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 4.6.2003 und 1.8.2003 die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin unterrichtet. Aus einem mit der sofortigen Beschwerde des Schuldners im vorliegenden Verfahren vorgelegten Schreiben der Sparkasse C vom 26.1.2004 geht hervor, dass der Schuldner seit dem 19.8.2003 die vereinbarten Raten zahlt und die Sparkasse bei pünktlicher Ratenzahlung den Schuldner nicht auf Rückzahlung des Darlehens in einer Summe in Anspruch nehmen wird. Die mit dem Schuldner getroffene Vereinbarung, so heißt es im Schreiben der Sparkasse weiter, gelte auch mit Wirkung zugunsten von Frau I.Q. (der hiesigen Gläubigerin) und sei der Höhe nach zunächst bis zum 30.7.2004 befristet; man behalte sich das Recht vor, nach Ablauf dieser Frist mit Herrn Q eine neue Vereinbarung über die Ratenhöhe zu treffen.

Hieraus folgt, dass bei Eingang des Vollstreckungsantrags der Gläubigerin bei Gericht am 7.11.2003 der Schuldner seine Verpflichtung, die Gläubigerin von der Darlehensschuld freizustellen, durch eine Fortsetzung der "Bedienung" des Darlehens, zu der er sich im Scheidungsfolgenvergleich vom 19.9.2002 verpflichtet hatte, erfüllte und, da Gegenteiliges nicht vorgetragen und auch nicht anderweitig ersichtlich ist, bis heute weiter erfüllt.

Soweit das LG im angefochtenen Beschluss ausführt, der Schuldner habe durch die mit der Spark...

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