Rz. 74

LG Oldenburg[70]

Es ist nicht ohne Weiteres grob fahrlässig, den Schlüssel eines Fahrzeugs am Sonntag in den Briefkasten einer Werkstatt einzuwerfen. Wird das Fahrzeug gestohlen, kann die Kaskoversicherung je nach den Umständen des Einzelfalls dazu verpflichtet sein, den Schaden zu ersetzen. Ausschlaggebend sind die Umstände des Einzelfalles. Es kommt darauf an, ob es für jeden einleuchtend und ersichtlich ist, dass ein in den Briefkasten eingeworfener Schlüssel im konkreten Einzelfall leicht wieder herausgezogen werden könne, und ob sonstige äußere Umstände den Verdacht aufkommen lassen müssen, der Schlüssel sei dort nicht sicher und dem Zugriff Dritter leicht ausgesetzt. Solche Umstände hatten im entschiedenen Fall jedoch nicht vorgelegen. Aufgrund der Örtlichkeiten hatte der Eindruck bestanden, als befinde sich der Briefkasten in einem geschützten Bereich. Auch der Briefkasten selbst sah von außen so aus, als sei er tief, sodass die oben in den Schlitz eingeworfenen Teile weit nach unten fielen und man diese von außen nicht erreichen und herausholen könne. Der Briefkasten habe zudem stabil ausgesehen, als sei er nicht leicht aufzubrechen.

 

Rz. 75

LG Bonn[71]

Ermöglicht der Versicherungsnehmer einem Bekannten, der alkoholisiert ist, durch Übergabe der Schlüssel die Fahrt mit seinem Pkw, ist bei einem Unfall die Kürzung der Leistung um 75 % angemessen. Er handelt damit grob fahrlässig i.S.d. § 81 Abs. 2 VVG. Sein Verhalten stellt einen objektiv besonders groben Verstoß gegen die ihm als Versicherungsnehmer obliegenden Sorgfaltsverpflichtungen dar. Auch subjektiv ist ein Verstoß gegeben. Für die Annahme reicht es aus, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des eigenen Alkoholgenusses zurechnungsfähig war. Er hätte Vorkehrungen treffen müssen, zu vermeiden, dass er selbst oder ein alkoholisierter Dritter sein Fahrzeug benutzt. Der Versicherer darf trotz der vereinbarten Besonderheit im Versicherungsvertrag, dass auf den Einwand grob fahrlässigen Verhaltens verzichtet wird, kürzen. Diese Besonderheit gilt nach den Bedingungen jedoch nicht im Fall der Herbeiführung des Versicherungsfalles infolge des Genusses "alkoholischer Getränke". Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Eine Kürzung auf Null kommt nicht in Betracht. Hier fehlt es an einem entsprechenden Gewicht der Pflichtverletzung.

[70] Redaktion FD-VersR, Aktuelle Nachrichten, FD-VersR 2021, 436498.
[71] Urt. v. 31.7.2009 – 10 O 115/09, DAR 2010, 24.

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